Montag, Mai 27, 2013

A few years on...

I'm not sure how many visitors this blog has recently enjoyed, but I am happy about all the impressions I could share. Perhaps there were other youngsters who ventured out into the world and who were happy to see other people had gone through similar experiences.

Not related to this topic, but as life moves on, there are new things that come up and make us feel proud. Working in New Delhi, India, and teaching German, we were very happy to launch our new website www.language-must.com just a few days ago! It is so full of life! So, if you want to get a preview of where the story went, this gives you some hints! Looking forward to any thoughts and replies soon!

Best, Heiko

Samstag, Mai 19, 2007

Tostan geht weiter...

25. Juni 2007 - Jugendwerkstatt "Frohe Zukunft" in Halle

Am 25. Juni sind Lisa und ich Gastreferenten bei der Afrikanischen Woche der Jugendwerkstatt "Frohe Zukunft" in Halle. Ein großes Publikum erwartet uns: 60 SchülerInnen der 9. und 11. Jahrgangsstufe.






Unser Gastgeber, Karamba Diaby, begrüßt die SchülerInnen zur diesjährigen Afrikanischen Woche:



14. Mai 2007 - Fichtehaus Tübingen



Am 14. Mai 2007 bin ich zu Gast im Fichtehaus, Tübingen, als Referent der Vortragsreihe "Welt erleben, Welt bewegen". Ich kann verkünden, dass inzwischen fast 2100 senegalesische Dörfer die Beschneidung abgeschafft haben, was knapp 40 Prozent aller zuvor praktizierenden Dörfer entspricht (Stand: April 2007). Außerdem spreche ich erstmals davon, dass es auch in Deutschland unterschiedlichen Schätzungen zu Folge 18.000-30.000 Fälle von FGC/M gegeben hat. Für Europa wird von 500.000 Fällen ausgegangen.


In der Einladung für den Vortrag hieß es:
Jeden Tag werden etwa 6000 Mädchen der Beschneidung unterzogen - mit schweren gesundheitlichen Folgen. Im Senegal informiert die NGO Tostan über Menschenrechte, Gesundheit und Hygiene. Damit ausgerüstet nehmen die Menschen die Dinge selbst in die Hand, erfolgreich: Mehr und mehr Dörfer schaffen die Beschneidung ab.

16. Februar 2007 - FU Berlin, Ethnologisches Institut

Am 16. Februar 2007 halte ich den Vortrag vor einer kleinen, aber sehr kritischen Gruppe Ethnologie-Studis, die mich im Rahmen einer Protestwoche an ihr Institut, das Ethnologische Institut der Freien Universität Berlin, eingeladen hatten. Diese Gruppe ist eine Herausforderung für mich - und hilft mir, meinen Verständnis von Tostan enorm zu schärfen. Zwei Stunden lang ging diese Sitzung (von einem klassischen "Vortrag" kann kaum die Rede sein) hin und her, bis wir das Ende erreichen und ich meine, jedes Wort über meine Zunge rollen zu spüren.

11. Februar 2007 - Café Shock, KuZe Potsdam










Am 11. Februar 2007 treten Lisa und ich als Referenten des Café Shock auf. Veranstaltungsort ist das studentische Kulturzentrum (KuZe) in der Hermann-Elflein-Straße in Potsdam.

Dieser Auftritt folgte achte Monate auf unsere gemeinsame Premiere als inoffizielle Tostan-ReferentInnen im Brandenburgischen Kulturzentrum "al globe" (21. Juni 2006) in Potsdam:
Über Erfolge im Kampf gegen die Beschneidung von Mädchen im Senegal berichten Lisa Bauch und Heiko Pfeiffer. Ein Vortrag in der Reihe "Fairer Handel(n)in Potsdam" der Potsdamer Eine-Welt-Läden in Kooperation mit dem al globe. (Quelle)

Montag, Februar 27, 2006

Zurückkommen

Als ich im September mit Lisa in das Flugzeug nach Dakar stieg, wusste ich, dass alles anders und neu sein würde. Ich hatte keine Idee vom Leben in Afrika, von seiner Gesellschaft, von seinem Entwicklungsstand. Ich kannte nur Fernsehbilder von Hungersnöten und Berichte über Kindersoldaten in Bürgerkriegen. Ich war eingestellt auf Magenverstimmungen und Malaria-Moskitos, Verwirrung und Überforderung. Ob mir die Arbeit mit Tostan zusagen würde, wusste ich eben so wenig .

Vor unserem Rückflug morgen Nacht nach Berlin habe ich ein etwas anderes Gefühl. Ich kenne den Zielflughafen, seine Stadt. Meine Familie und Freunde erwarten mich dort. Ich werde kein neues Studium anfangen, sondern lediglich das alte fortsetzen, in dem ich mich schon zwei Jahre lang orientiert habe. Ich habe lebhafte Erinnerungen an alle Orte. Ich habe Einkaufsvorlieben - Bioläden -, Parks, in denen ich am liebsten Joggen gehe, Kinos, die meine Filme spielen. Ich weiss, dass mich Tagespolitik ermüdet und der Potsdamer Bahnhof nur einer von zu vielen grellen, sterilen, leblosen Konsumpalästen ist.

Und doch weiss ich fast gar nichts. Ich kann mir ausmalen, dass viele Dinge in einem neuen Licht erscheinen werden, ich sie mit neuen Augen wahrnehmen werde. Darin besteht die grosse Unbekannte. Ich kehre in bekanntes Terrain zurück, doch wird vieles neu erscheinen. Und davon habe keine Vorstellung, genau so wenig wie von der Art und Weise, wie ich auf diese neue Situation reagieren werde, in eine neue alte Welt zu kommen.

Das Zurückkommen gehört dazu wie das Reisen an sich!, schreibt mir eine gute Freudin. Sie hat recht. Indem ich zurückkomme, werde ich gezwungen, mir meiner eigenen Position bewusst zu werden. Mit dem Zurückkommen muss ich meinen eigenen Platz in der Gesellschaft neu definieren, denn eine neue Gesellschaft, neue Erfahrungen und Menschen sind ein Teil von mir geworden. Ich werde mir über mein weiteres Studium Gedanken machen müssen, das bisher nichts mit meinen Erfahrungen im Senegal zu hatte, und damit in einen Konflikt mit diesen neuen Erfahrungen gerät.

Es ist schwierig, eine Erfahrung wie diese kurz und knapp zusammenzufassen. Bei unser Rückfahrt nach Dakar zeigte Lisa mir folgendes Gedicht von Erich Fried, das mir gefiel. Es heisst "Einige Irrwege":

Wer sich abwendet von der Schönheit
der begeht
Verrat an der Schönheit des Lebens
und an der Schönheit der Welt

Wer sich abwendet von der Hässlichkeit
der begeht
Verrat an den Leiden des Lebens
und kämpft nicht mehr gegen Unrecht

Wer nur noch die Schönheit sieht
der geht in die Irre
Wer nur noch die Hässlichkeit sieht

der geht in die Irre
Wer nur noch den Kampf gegen Unrecht sieht
der geht in die Irre

Wer glaubt nie zweifeln zu dürfen
an der Schönheit
an der Hässlichkeit oder sogar
am Kampf gegen Unrecht
der ist so arm geworden
wie der der zweifelt
und glaubt nie mehr glauben zu dürfen

(Bild oben: Das World Press Photo des Jahres 2005 ist vom Reuters Fotografen Finnbar O'Reilly: Es zeigt eine Mutter und die Hand ihres Kindes an ihrem Mund in einer Nothilfestation in Tahoua in Niger.
Bild unten: Die Teilnehmer der Tostanklasse bei unserem Besuch im Oktober 2005.)

Freitag, Februar 24, 2006

Ein nahender AbschiedsBLOG

Huch... sind Lisa, Sabine (rechts) und die US-Freiwillige Jacky (links) etwa zum Islam konvertiert? Wollen sie etwa einen Senegalesen heiraten und müssen sich dem Druck dessen Familie beugen? Deswegen die Kopftücher? Viele muslimische Familien verlangen von potentiellen Schwiegertöchtern, zu konvertieren, auch wenn es ihnen bei Schwiegersöhnen dringender ist. Denn die Kinder übernehmen das Glaubensbekenntnis des Vaters.

Nein, Heiraten sind nicht der Anlass für die Verhüllungen. Wir haben letztes Wochenende die heilige Stadt Touba, Stadt der Moscheen und Marabouts, besucht. Wer die große Moschee betreten will, muss seine Schuhe in die Hand nehmen und Frauen sich außerdem verhüllen, selbst i
m Umkreis der Moschee. Frauen tragen einen langen Rock; für Männer sind die Regeln weniger streng. Was passiert, wenn eine Frau unverhüllt sich der Moschee nähert, frage ich unsere Senegalesische Begleitung, Pape, der mich beim Beten um ein Bild bat. "Man riskiert verhauen zu werden... Nein, es ist unvorstellbar. Ich weiß es nicht", antwortet er. Die Steine im Inneren der Moschee heizen selbst bei größter Sonnenhitze nicht auf, damit sich niemand die Füße verbrennt. Es gibt getrennte Betbereiche für Männer und Frauen, denn der Anblick von sich bückenden Frauen könnte Männer vom konzentrierten Beten ablenken. Der Vorbeter, Imam, ist ebenfalls immer ein Mann, denn die Stimme einer Frau könnte die Konzentration der Gläubigen zerstreuen.

Der Führer ermutigt uns auf Spanisch und Französisch permanent dazu, Fotos zu machen. Die Stadt ist an diesem Tag voller Menschen, die einem beruehmten Marabout zu seinem Todestag gedenken. Pape besucht seinen Marabout, hinterlässt ein Geldgeschenk und wird prompt zum Essen eingeladen. Unsere Begleitung mag eine Rolle gespielt haben.

Marabouts sind spirituelle Begleiter, ihre Anhänger können sie immer telefonisch um Rat fragen. Sie werden mit viel Geld eingedeckt und fügen über großen politischen Einfluss. Denn ihre Anhänger folgen ihnen häufig auch politisch. Der aktuelle senegalesische Präsident, Abdoulaye Wade, machte nach seiner Wahl seinen ersten Besuch in Touba. Die Marabouts haben außerdem Koranschüler, Talibés, die barfüßig bettelnd durch die sandigen Straßen der Städte Senegals ziehen. So fließen jedes Jahr viele Millionen Euro an Marabouts. Talibés leiden oft an Unterernährung und sind gesundheitlich unterversorgt. Auf der anderen Seite überlassen viele Eltern die Verantwortung, Kinder zu ernähren, den Marabouts. Ein bisschen kann man sich jedoch schon wundern, wenn man die prunkvollen Moscheen in Touba und anderorts sieht. Gibt es wirklich ein Geldproblem?

Die erweiterte Familie von Pape, dessen Mutter nahe Dakar in der Stadt Thiès wohnt, der jedoch zwecks Studium und Arbeit bei Tostan in der räumlichen Wohnung eines Onkels in Dakar einquartiert ist, reicht bis Touba. Wir treffen dort zwei Tanten und ihre Familien und werden selbstverständlich zum Essen eingeladen. Zum Festtag gibt es Huhn. Für mich war das bisher immer selbstverständliche Gastfreundschaft, wie wir sie überall
im Senegal kennengelernt haben. Pape erzählt uns jedoch später, welche Erwartungen an ihn herangetragen wurden. Die Tante, bei der wir essen, bittet ihn um eine kleine Unterstützung, schließlich arbeite er bei einer ausländischen NGO und sei mit weißen Freunden unterwegs. So müsse er doch Geld haben. (Tatsaechlich erhaelt er bei Tostan lediglich eine Erstattung seiner Fahrtkosten, er ist Freiwilliger wie wir.) Er gibt 1000 Fcfa aus seiner Tasche, die schon fuer die Fahrtkosten nach Touba zu leer ist. Die andere Tante leidet ebenfalls an Geldproblemen. Als wir sie besuchen, hält sie ein Neugeborenes in den Armen; Pape wusste nichts von ihrer Schwangerschaft. Doch ihr Mann ist arbeitslos. Er gibt 2000 Fcfa aus seiner Tasche. "Ich könnte sie nicht besuchen, ohne ihr was zu geben. Ihr Mann ist doch arbeitslos. Und sie ist Teil der Familie", erklärt Pape.

Bacary hatte uns vor einigen Wochen erzählt, welche Erwartungen an ihn als Tostan-Koordinator von 50 Dörfern und Mitglied der Familie Tamba herangetragen werden. Er lebt mit seinen sechs Kindern im Alter zwischen drei und 23, fünf Schulkinder darunter, in einem drei-Zimmer-Haus. Die Kinder teilen sich ein 12m²-Zimmer, in dem ein Bett und steht und eine Matratze liegt. Eine
Haushaltshilfe haben sie nur für die Wäsche; Haushaltshilfen sind im Senegal üblich. Besucher lädt er ohne zu Zögern zum Essen ein, er könnte nicht anders. Seine Stellung in Dörfern beschrieb er so: "Meine Faciliateure gelten als wohlhabend, weil sie ein festes monatliches Einkommen haben." Die meisten Dorfleute leben von Landwirtschaft--einer Facilitateurin fehlten einmal die Mittel, sich ein Busticket zurück in ihr Dorf zu kaufen, ca. 500 Fcfa (knapp 1 Euro), nachdem sie und ihr Sohn an Malaria erkrankt waren und sie Medikamente kaufen musste. Ein typisches Problem. "Kommen Superviseure ins Dorf, guckt man zu ihnen auf. Denn sie haben ein festes Einkommen und fahren ein Motorrad. Sie müssen Geld haben. Sie sind sehr angesehen." Superviseure haben meist 10 Dörfer, in denen sie Probleme regeln und den Facilitateur unterstützen, deswegen bekommen sie in Motorrad zur Verfügung gestellt. Bacary fuhr fort: "Ich jedoch komme in großem Geländewagen mit Chauffeur. In den Augen der Dorfleute bin ich reich. Wenn sie ein Problem haben, werden sie es an mich herantragen. Es mag ein Sack Reis fehlen, oder die Tochter krank geworden sein. Probleme gibt es in den Dörfern genug." Bacary wird in seinen Dörfern gefeiert wie ein König. Doch die vielen Erwartungen an ihn bereiten ihm Schwierigkeiten. Durch die ausgedehnten Afrikanischen Familien findet sich überall, in Dörfern, in der Nachbarschaft, jemand, der ein dringendes Problem hat (vor allem Nahrungsprobleme) und der ihn, mit seiner Position, um Hilfe bittet. (Abschiedsfoto mit Bacary vor dem Bignona-Büro, in Team-Look.)

Pape meinte, die großen Familien seien für viele Senegalesen ein Grund, auszuwandern, wenn sie nur die Moeglichkeit haben. In Europa können sie den Großteil ihres Einkommens für sich behalten. Ihr Familie im Senegal ein wenig zu unterstützen ist dann leicht. (Sonnenuntergang über dem Atlantik, Rückfahrt Ziguinchor-Dakar vor einer Woche.)

Die großen Familien sind Freunde und Ärgernis für die Menschen. Sie können sich auf Unterstützung verlassen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Sie bringen jedoch auch viele Erwartungen mit sich.

Dass seine Familie Pape so direkt um Geld anbetteln würde, weil er mit Toubabs unterwegs ist, habe ich bisher nicht gekannt. Ich habe vor allem die Solidarität unter den Menschen geschaetzt (Dakar ist ein anderes Kapitel). Sie helfen sich aus. Sie sind nicht wohlhabend, aber genauso wenig kann eine Familie so weit abrutschen, dass die Kinder hungern müssten.

Es gibt eine wirklich schwierige Periode, wenn im Frühsommer die Vorräte aufgebraucht sind und die Ernte noch keine Erträge abgeworfen hat, wenn es zu wirklichen Schwierigkeiten in den Dörfern kommt. Zu Anfang der Regenzeit sind manchmal ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. So wird es unmöglich, zum Beispiel Fisch zu besorgen oder Reis nachzukaufen. Das sind jedoch nur zwei Monate im Jahr, gegen Juli-August. Ansonsten werden Probleme von der Dorf- oder Familiengemeinschaft abgefedert. (Strand in Dakar, der zu wunderbaren Spaziergängen einläd. Zum Baden ist es leider zu kalt.)

Ich will kein idealisiertes Bild zeichnen. Der Senegal ist kein Paradies. Die Extreme sind jedoch geringer (außerhalb Dakar). Die Familienstrukturen sind fest. Die Menschen beschweren sich jedoch gleichzeitig, dass es schwer ist, wirklich Geld aus einem Gehalt zu gewinnen. (Blick auf den nördlichsten Zipfel von Dakar, das auf einer Halbinsel liegt und sich von dort aus ins Landesinnnere ausbreitet. Das Bild ist von der Anhöhe einer der Leuchtürme aus aufgenommen, den wir im Januar besucht haben.)

Unterdessen plaudert Jacky, oben im verhüllten Dress bei unserem Marabout-Essen, darüber, dass sie unter den den fünf, sechs aktuellen amerikanischen Volontären die einzige ist, die in ihrem Leben noch keine Antidepressiva genommen hat. Mich überraschte an sich, dass Jacky selbst ueber die neuen Volontären schon voll informiert ist. Medikamente zu nehmen ist so üblich, selbst unter jungen Menschen schon, dass es vollkommen normal für sie ist, darüber zu reden. Sie vergleichen Nebenwirkungen verschiedener Medikamente.

Alle amerikanischen Volontäre, die gerade hier sind, nehmen durchgehend ihre Malariaprävention, ueber Monate hinweg. Lisa und ich hatten sie nach Ende der Regenzeit abgesetzt, weil es Chemiekäulen sind, die die Stimmung beeinflussen und Alpträume auslösen können. Die Moskitobelastung ist jetzt sehr niedrig.

Es nähert sich das Ende unseres Aufenthalts. Unsere Arbeit ist fast
abgeschlossen; Anfang der Woche haben wir unseren letzten Artikel, über die Sensibilisierungstour einer Tostanklasse, fertiggestellt. Er ist fuer einen grossen Geldgeber von Tostan, die Annenberg Stiftung. Mir wird langsam bewusster, dass wir Tostan und den Senegal sehr bald verlassen werden. Es klingt merkwuerdig, doch vor einer Woche habe ich davon noch nichts gespuert. Abschiedsgefuehle hatte ich genuegend gehabt, als wir in Ziguinchor ins Schiff gestiegen sind. Ein Lebensabschnitt geht zu Ende und es wird ein prägender bleiben. Lisa wurde gestern von einer wahrscheinlich letzten Lebensmittelvergiftung umgehauen (wahrscheinlich eine Mayonnaise). Ich wusch einen Berg Wäsche. Muskelkater bekomme ich davon nicht mehr und die Sache sehen inzwischen sauber aus hinterher. Bald wird das wieder die Maschine übernehmen. Wir fahren mit einem Taxi durch die Stadt und holen Kleider beim Schneider ab. Wo sonst sollte man Kleider herbekommen? Die Geruchskulisse unter veralteten Taxis, LKWs und neben Muellbergen ist immer fuer neue Ueberraschungen gut. Die Köchin im Büro kocht Fisch und Reis zum Mittag und die Bonne im Volontärhaus räumt unser Zimmer auf. Dakar wird von kalten Winden überzogen, die es bis in die nationalen Nachrichten machen. Tagsüber nur 24 Grad mit Wind, und nachts nicht mehr als 15 Grad. Spaziergänge am Strand unter lauter jungen Menschen, die von einer Karriere als professionelle Fußballspieler träumen. Kaltes Duschwasser und überall Müllberge aus Essensresten, Batterien und Plastikflaschen, die oft einfach verbrannt werden. Dakar ist wahrscheinlich der einzige Ort im Senegal mit einer Müllabfuhr, die jedoch längst nicht den Bedarf deckt. Kaffee aus der Elfenbeinküste als einzige Wahlmöglichkeit, der jedoch in Europa in Instant-Kaffee verwandelt wird und angelehnt an die Produktionsfirma Nescafé heißt und nur gezuckert genießbar ist.

Unser Flug führt über Mailand, wo wir sechs Stunden Aufenthalt haben, zurück nach Berlin. Der Abflug liegt auf halb zwei Uhr morgens in Dakar. Es wird ein langer Tag werden, der 1. März. Es bleiben ein Wochenende unter unseren Senegalesischen und internationalen Freunden.


Montag, Februar 13, 2006

Heiratsantrag auf Senegalesisch

Es ist inzwischen schwierig geworden, Gedanken an die nahende Rückkehr in die alte Welt nicht zu denken. Das Ende ist nah, und doch, ich bin umgeben von Palmen und inzwischen trockenen Reisfeldern, die Sonne heizt die Luft tagsüber auf Werte jenseits von 34°C auf und schon leichte Winde wirbeln so viel Sand und Staub auf, dass ich mich an unseren kurzen Aufenthalt in der Wüste Senegals, der Fouta Region, Anfang November, erinnert fühle. Geregnet hat es seit Anfang November nicht mehr. Der Minzegeruch außerhalb Bignonas wurde von der Trockenheit aufgesaugt. Der Afrika-Cup heizt die Fußballlust in den Straßen ordentlich an, so dass ich beim Joggen durch die Viertel Bignonas kaum zum Luft holen komme wegen der vielen „Toubaaaaaab“-Rufe der Kinder. (Ortseingang von Ziguinchor, Esel und LKW; oben: Sept-places am Gare Routier von Ziguinchor)

Überraschenderweise regnet es heute Morgen, die vorher trockene Luft scheint wie ausgewechselt, sie riecht intensiv mit leichtem Grasstich.

Wir treffen Papise, unseren Fahrer, am Sonntagmorgen am Bahnhof von Ziguinchor. Er ist mit sieben Kolanüssen (bittere, leicht anregende Nussart) und dem stattlichen Geldbetrag von 5000 Fcfa (umgerechnet rund 8 Euro) im Handgepäck ausgerüstet. Der Morgen ist warm und mir stehen bereits um 9 Uhr die ersten Schweißperlen auf der Stirn. Wir besuchen die Familie der Freundin eines guten Freundes von Papise. Dieser Freund arbeitet auf Île de Gorée, Dakar, in einem Restaurant. Die Familie ist Mandinka, was Papise, ein Diola, jedoch nicht aufhält, er spricht Mandinka wie Diola (und Diola wie Wolof) und wechselt fließend. Wir stellen uns kurz vor, die Tochter (der Grund des Besuchs) wird gerufen, die wir ebenfalls begrüßen. Dann werden wir ins Haus geführt. Wir sitzen mit einer Tante und einem Onkel, und Papise erklärt, dass er im Namen seines Freundes in Dakar einen Heiratsantrag an ihre Nichte machen möchte.

Die Mutter schaut kurz vorbei, sie ist jedoch in diesem Schritt des Heiratsantrages noch nicht eingebunden. Der Vater bleibt ganz außen vor. Der erste Schritt eines Heiratsantrags richtet sich an die Familie einer zukünftigen Braut, nicht jedoch direkt an die Eltern. Diese werden anschließend informiert und werden ihre Tochter um ihre Meinung fragen. Eine kurze Weile später darf der Antragsteller dann wieder vorbeikommen. Wenn die Gefragte eingewilligt hat, findet zwei Monate später die Hochzeit statt. Ein Veto kann nur ihr Vater einlegen.

Dies ist die eine Variante zu heiraten. Bei der traditionellen wird die Heirat vom Vater arrangiert, d.h. er sucht seiner Tochter einen Bräutigam, verspricht sie oft schon in jungem Alter, die mehr oder weniger viel Mitspracherecht hat: Sie darf ein Angebot entweder ausschlagen, ihr Vater sucht weiter, oder sie muss seine Wahl einfach akzeptieren. Beide Varianten sind unter den Mandinka noch üblich.

Der Vater legt ein Veto ein – soweit sind wir noch nicht. Der Onkel ist dabei, ein weiteres Familiemitglied in den Raum zu holen um ihm Papises Erklärung zu wiederholen. Das wiederholt sich mit zwei weiteren Familienmitgliedern. Jedes Mal reichen sie die Kolanüsse weiter; wo das Geldgeschenk hängen geblieben ist, weiß ich nicht. Die ganze Prozedur dauert kaum 15 Minuten und wir fangen an zu warten. Wie könnte man bei so einem Anlass keinen Hunger haben? Wir sitzen unter einem Aluminiumdach, der Raum heizt auf. Der Staub lässt sich auf Kleidern und Haut nieder. Wir warten lang. Doch als unser Gericht, Nudeln/Reis, Rinderfleisch und eine scharfe Zwiebel-Rosinensauce, endlich kommt, setzt sich die Zukünftige zu uns: ein gutes Zeichen! (Rechts die Angebetete, Fatou Sonko, links eine Freundin von ihr, Lisa mit langen Ohren und Papise, der "Antragsteller")

Ein Heiratsantrag wird nicht vom Antragssteller direkt, sondern entweder von seinen Eltern oder einem guten Freund gemacht. Das zukünftige Paar hat sich in Dakar kennengelernt und sich versprochen zu heiraten; doch der zukünftige Bräutigam hatte noch gezögert. Er erfuhr von Papises Schritt abends von seiner zukünftigen Frau. Ich glaube, er war sehr aufgeregt…

Diese Woche schien Lisa endlose Stunden vor ihrem Computer zu verbringen und Punkte in eine bunte Grafik zu malen. Die Punkte stehen für Tostan-Dörfer, die Grafik ist eine Karte des Departements. Mit dieser Karte illustrieren wir die Ausbreitung eines Tostan-Projekts. Bisher weiß selbst die Direktorin, Molly Melching, nicht, wie weit dieses Departement mit Tostan-Dörfern abgedeckt ist; niemand weiß es so richtig. Die zwei Koordinatoren arbeiten eigenständig, der eine in 30 Diola-Dörfern, der andere in 10 Mandinka und 20 Fulani-Dörfern. Die Karte ist ein Teil unseres Projekts. Die andere ist die Frage, wie die Veränderung von Sozialverhalten zu Stande kommt. Tostan weiß, dass seine Sensibilisierungsmittel gut funktionieren, doch wie sie genau ablaufen, nicht. Deshalb werden wir morgen eine solche Tour begleiten und dokumentieren. (Kind mit Spielzeug aus Bleicheflasche)

Tostan wählt für sein Programm Dörfer aus, die über Einfluss in ihrem Gebiet verfügen. Einfluss hat, wer frequentiert wird, so dass sich Informationen von diesem Punkt aus verbreiten. Warum wird ein Dorf frequentiert? Wegen Boutiquen, einer Moschee, einer Schule, einem Markt, einem Erdnusslager, einem kollektiven Reisfeld usw. Bei diesen Gelegenheiten tauschen sich die Menschen aus. Soziale Anlässe spielen ebenfalls eine wichtige Rolle: Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, Tänze, traditionelle Kämpfe usw. Gerade Heiratsbeziehungen sind wichtig, denn weil Frauen ihr Dorf bei der Heirat verlassen, haben sie Eltern in einem anderen Dorf, die sie besuchen. Wenn es um Fragen wie Beschneidung oder vorzeitige/erzwungene Heiraten geht, ist es zentral, alle Arme der Familie in die Entscheidung mit einzubinden. Oft sind es diese Frauen, die dann eine Info-Tour in ihr Dorf organisieren, um dort über das Wissen über Menschenrechte, Hygiene und Gesundheit, Problemlösungsstrategien etc. zu sprechen. Häufig richten Dörfer anschließend eine Anfrage an Tostan, selbst eine Klasse zu bekommen, oder wenigstens den Facilitator, Tostan-Lehrer, einmal in ihrem Dorf willkommen heißen zu dürfen. Jedes Tostan-Dorf hat eine Reihe von benachbarten Dörfern, mit dessen Einwohnern die Klassenteilnehmer sich regelmäßig austauschen. Auch dies versuchen wir auf der Karte zu illustrieren: Die Abdeckung des Departements durch solche Sensibilisierungsaktionen. (Bei einer Wanderung früh Morgens durch die Mangrovenfelder vor Ziguinchor)

Unser Koordinator, Bacary Tamba, versteht von Computern „soviel wie ’ne Kuh vom Kräbbel backen“ (sagte man Bruder früher immer). (Kräbbel, ohne Garantie für die Schreibweise, sind ein hessische Spezialität, so ’ne Art Muffins, aber ohne Loch in der Mitte, Zuckerbestäubung, meist mit Marmeladenfüllung, mein Vater bevorzugt sie jedoch ohne.) In dieser Woche erklärte ich ihm jedoch, dass Computer Strom brauchen, wie man einen Doppelklick macht, wie man mit einer Taste drei verschiedene Buchstaben erreichen kann… Inzwischen tippt er schon Texte mit Word. Er lernt erstaunlich schnell und ist stolz darauf. Diese Erfahrung mit jemanden zu arbeiten, der keine Vorstellung von Computern hat, ist eine neue. Die meisten Leute hier wissen jedoch mit PCs nicht umzugehen. Die Sekretärin ist in der ganzen Bignona-Koordination mit ihren rund 60 Mitarbeitern die einzige Kennerin, bisher. Mehr Schulungen sind dringend nötig. (Krabbenessen in Ziguinchor...)

Bei Bacary ist die Tage zu beobachten, dass vier Kücken zwei Mütter zu haben scheinen. Sie ähneln alle dem einen Huhn, doch folgen den beiden bei der Futtersuche. Als die Tage ein Schaf nach Essen suchte, prustete sich Mutter-1 auf, breitete ihre Flügel aus und ging mit beiden Krallen gespreizt kreischend auf dieses Schaf los. Es ergriff die Flucht. Heute attackierte es sogar eine der Töchter, die eines ihrer kleinen anrührte. (Piroguenfahrt auf dem Casamance-Fluss)

… und trotz allem…

Die Fragen drehen sich in meinem Kopf, wie wird Berlin auf mich wirken, wie wird mir das Leben und seine Freizeitvergnügen gefallen, wie stark werden mir die Menschen und ihre bunten Kleider, ihre aufgeschlossene Art, fehlen. Bei Tostan mangelt es an Arbeit nicht. Am spannendsten ist die Expansion in andere Länder, insbesondere den Gambia, wo Bacary neuer Koordinator wird sobald die Verhandlungen mit der Regierung abgeschlossen sind. Er würde uns gerne mitnehmen.

Unser Boot nach Dakar geht am Donnerstag.

Mittwoch, Februar 01, 2006

Dem Ende nahe... Heiko vergiftet von Zweitfrau!

Wir haben in der letzten Woche zwei Dörfer besucht, um dort mit den Dorfbewohnern (und einer ganzen Gruppe Tostan-Superviseure, die uns alle unterstützten... oder einfach nur den Anlass zum Quatschen genossen) eine Karte zu erstellen. Die Karte soll illustrieren, mit welchen Dörfern das Dorf Beziehungen unterhält und zu welchen Anlässen sie sich austauschen. Heiraten, Taufen, Beerdigungen, Marktbesuche, die Reisernte oder das Freitagsgebet sind zentrale Anlässe, zu denen sich die Menschen austauschen. Auf diese Weise verbreiten sich Neuigkeiten und somit auch das Wissen von Tostan. Wir fanden heraus, dass die Teilnehmer an der Klasse bis zu 90 Kilometer reisen, um dort über Aspekte des Programms zu sprechen. Unser Besuch in einem Dorf hatte fast den Charakter eines Grossereignisses, wir wurden mit Tanz von den Frauen empfangen, besuchten dann ensprechend dem Protokoll den Dorfchef und die beiden Imams, setzten uns dann in die offizielle Begüssungsrunde und schliesslich ging es an die Arbeit. Uff...
Ich habe schon erwähnt, dass wir Besuch hatten. Kenny Mann dreht einen Film über Tostan und entschied sich, dabei auch über die Voluntäre zu sprechen. Sie filmte in jedem Moment, machte sich abends beim Nachtgespräch Notizen "Das müsst ihr mir morgen nochmal erzählen..." und liess sich durch ein Dorf führen, um sich die Resultate des Programms illustrieren zu lassen. Sie spricht Deutsch, Englisch, Suaheli (oder so...), doch kein Französisch. Deshalb waren wir ihre übersetzer. Rechts in dem Bild redet Lisa gerade mit Kennys Assistent, der US-Freiwillige David der mit kanadischem Akzent Französisch spricht anstelle des irritierenden Amerikanischen; links interviewt Lisa einen Arzt. Ich musste darüber nachdenken, ob mir die Art gefällt, wie Dokus offenbar entstehen. Kenny liess sich die Szenen immerzu nachstellen. Sie beobachtete und sagte dann, "macht das nochmal..." Sie interviewte uns zu unserem persönlichen Erlebnis, aber auch zu dem Leben der Menschen und zu Tostans Programm. Eine Kamera ist fixierend. Abends sass sie dann, guckte sich ihre Szenen an und dokumentierte, um nicht vollständig durcheinander zu geraten.
Auf zum Gruppenfoto. Wir waren alle in Kopfhüten, weil wir einen traditionallen Kampftag, Ringen, besuchten wobei extrem viel Staub aufgewirbelt wird. Ganz rechts sitzt Moussa, der Haushüter des Büros. Bakary, hinter mir, schmierte sich heute morgen mit einer Hautmilch ein, er war geradezu in Eile die Milch aufzutragen. "Bei dieser Kälte riskiere ich weiss zu werden wie ihr", erklärte er mir nur. Diese Kälte heiss, dass es im Moment tagsüber nur rund 34°C sind.

Dieser ist der Marktstand, an dem ich Tag ein, Tag aus lokale Orangen und Banenen kaufe. Der Markt ist direkt am Gare Routiere und nur drei Minuten vom Tostan-Büro. Die Bananen sind selbst dann noch grün, wenn sie überreif sind. Mit den Orangen gleiches Lied. Die lokale Sorte ist jedoch deutlich zäher als jene orangen Importorangen, die nach Europa kommen. In jedem Fall wurde mein Farbsinn stark gestört; was sind das für Züchtungen, die wir in Europa bekommen?
An dem Tag, als ich nach unserem Aufenthalt in Dakar zum ersten Mal wieder auf den Markt kam, empfingen mich die Frauen klatschend und singend. Hier kann ich jeden Tag meine kleinen Diola-Kenntnisse anwenden, und sich ist, dass sie mich auch morgen wieder fragen werde, ob ich Frieden in mir habe (kaasuumay?), wie es meiner Familie geht und wo Lisa ist. Ich werde wieder antworten, ja, ich habe Frieden (kaasuumay kep!), die Familie ist da, und Lisa ist ebenfalls da und ist noch müde (nagaga). In ein paar Tagen werde ich wohl auch verstehen, was sie mich sonst noch fragen... das tägliche Ritual. Auf dem Markt gibt es noch Brot, Guaven, gekochte Süsskartoffeln und Baigners, frittierte Hirsestückchen; schon ist das Frühstück komplett.

Am letzten Wochenende hatten wir Besuch auf Französisch, was wir zu einem Ausflug ans Meer nutzten, in die kleine Stadt Kafountine. Sabine und ihre Freundin Ann-Lore, die fliessend Deutsch spricht, kamen von einem Auftrag aus Senegal's Wüste im Osten des Landes. Sie hatten Ruhe nötig. Es war warm genug um im Meer zu baden. Das Hotel war mit Meerblick. In diesen Wellen musste ich daran denken, dass meine Familie gerade im Bayrischen Wald Ski fahren war und Berlin zu einer Eisstadt zu werden droht. Auf der Rückfahrt konnten wir mitverfolgen, wie irgendwann der Schlüssel aus dem Zündschloss des Sept-places fiehl, was die Fahrt aber nicht stoppte. Ich habe jetzt mindestens fünf Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs und Taxis gezählt, bei denen die Geschwindigkeitsanzeige funktionierte. Ich glaube irgendwann während dieses Aufenthaltes vergiftete mich Sabine, meine zweite Frau, mit einer Tinktur, die Lisa, der erste weibliche Marabout in der Geschichte, angerührt hatte, weil sie mich mit meiner ersten Frau, Ann-Laur, in meinem Senegalesischen Dorf antraf und vor Eifersucht halb (Bild links, Ann-Laur und Sabine) erstickte. Männer haben es im Senegal nicht einfach... Rache ist bitter!
Heiko mit Senegalesischer Erstfrau, Europäische, eifersuchtsgeladene Frau vergiftet ihn im Schlaf mit traditionellem Tee.

Mittwoch, Januar 18, 2006

Zurück in der Casamance

Heute Morgen auf der Fähre, mit der wir über Nacht von Dakar nach Ziguinchor gefahren sind. Als wir die ersten Schritte durch Ziguinchor machen stellen wir beide fest, dass es sich anfühlt, als ob wir nie weg gewesen wären. Komisch. Es ist soooo anders als Dakar.

A bientôt, Dakar! Gestern Abend bei unser Abfahrt aus dem Hafen von Dakar. Die Fahrt dauert 16 Stunden, doch den Grossteil kann man verschlafen. Angenehmes Reisen.
Die Betten... der Saal ist ganz offen und geht von Restaurant, Schlafsessel fliessend in Schlafsaal über. Hinter war direkt der Maschinenraum, so klapperte und wackelte es die ganze Nacht durch. Angenehm und erholsam war's trotzdem.

Das Restaurant; und nein, wir haben nicht 200 Euro für die Fahrt bezahlt. Das Schiff ist ziemlich luxoriös eingerichtet, aber als "Resident", als wir angesehen werden, kostet die Fahrt wenig mehr als mit dem Sept-places durch den Gambia durch. Die Fähre war gut gefüllt, viele Europäer, aber auch einige Senegalesen. Viele Senegalesen, insbesondere die Diola, fürchten die Überfahrt sicherlich noch wegen der Tragödie, die sich 2002 ereignete.

PS: Ah ja, die Abfahrt. Gestern Morgen um 10 Uhr war sie immer noch nicht sicher. Ich wartete auf Wort von der Botschaft. Um 11 Uhr ruft die Konsulin an. Sie sagt, ihr Drucker funktioniere nicht, sie könnten auf unabsehbare Zeit keine Reisepässe ausstellen. Stattdessen könnte ich eine Ausreisegenehmigung haben. Ob die Behörden das akzeptieren würden wussten weder sie noch wir. Wir fahren also zur Botschaft, bekommen den Wisch. Bei der Fähre gibt es ebenfalls keine Probleme, wir können also tatsächlich abfahren! Kleiner Haken: Das Teil, die Ausreisegenehmigung, ist nur knapp drei Wochen gültig. Bei unserer Rückfahrt nach Dakar gegen 21.Februar werde ich ohne gültige Papiere darstehen. In Deutschland würde ich als Afrikaner damit eingebuchtet werden. Die Konsulin spekulierte jedoch, ganz inoffiziell natürlich, dass ich keine Probleme bekommen sollte. Positive Seite: Auf den vorläufigen Reisepass kann ich so verzichten und mir in Deutschland direkt einen Ersatzausweis holen. Für die Ausreise stellt mir die Botschaft einfach (normal geht das nicht, aber in diesem Fall schon) nochmal eine Ausreisegenehmigung aus.
Wir sind also tatsächlich wieder angekommen...

Dienstag, Januar 17, 2006

Aufbruchsgedanken

Der neue Reisepassdrucker in der deutschen Botschaft in Dakar ist nicht funktionable, deshalb kann sie mir keinen neuen Reisepass ausstellen. Das einzige, was ich bekommen kann, ist eine Erlaubnis für die Rückkehr nach Deutschland. Ob ich damit auch bei den senegalesischen Behörden durchkommen werde, weiss weder ich noch die Botschaft.

Doch heute fährt eine Fähre nach Ziguinchor, direkt in die Casamance, die wir gerne nehmen würden um unsere Arbeit wieder aufzunehmen. Ob ich nun damit fahren darf oder nicht, werden wir später herausfinden. Wir sitzen auf gepackten Sachen (und wie auf heissen Kohlen) und werden unser Glück versuchen. Entweder wir sitzen schon heute um 16 Uhr in dieser Fähre, oder wir müssen die Fahrt um den Gambia herum aufnehmen, eine ermüdende Reise im Sept-places. In mir scheint alles zu rumoren.

Der letzte Monat in Dakar ist noch zu einer guten Zeit geworden. Sie lebte vor allem von der Begegnung mit vielen interessanten Menschen. Drei neue Voluntäre sind eingetroffen, drei AmerikanerInnen. Einer von ihnen hat seine Kindheit in Mosambik und Südafrika verbracht und kennt Nairobi gut. Diese Brücke von West- nach Ostafrika zu bauen ist hoch interessant. Denn es ist vor allem dieser Teil von Afrika, der durch Hungersnöte, Bürgerkriege, Rebellen, Kindersoldaten und Völkermorde in den Medien ist. Seine Eindrücke aus Nairobi sind dagegen viel gemässigter. Er konnte dort Leben und zur Schule gehen, er hat Freunde. Er liebt die Kultur und würde gerne zurückgehen. Es ist kein reiner Schauplatz des Schreckens.

Vor einigen Tagen traf eine Frau, sie heisst Kenny Mann, ein, die über Tostan einen Dokumentarfilm drehen will. Sie wuchs in Kenia auf, arbeitete dann einige Jahre in Deutschland und lebt inzwischen in New York. Sie arbeitete als Journalistin, Buchautorin, Uni-Professorin, Produzentin und Verkäuferin. Sie ist fast 60 Jahre alt, doch strotzt sie vor Energie. Sie packt dieses Projekt einer Doku fest an, ohne zu wissen, ob sie tatsächlich eine Finanzierung finden wird. Vielleicht wird sie den ganzen Film, denn jetzt arbeitet sie an einer Art von Demoversion, selbst und ohne Team drehen müssen. Das störte sie jedoch auch nicht, obwohl sie keine professionelle Kamerafrau ist.

Tabaski verbrachten wir bei Papes Familie in Thiès. Pape hatte uns auf unserer ersten Reise im September ins Landesinnnere, nach Kolda, begleitet. Ihn in seinem eigenen Milieu zu treffen war toll. Ein Schaf wurde vor unseren Augen zerlegt, ein nicht ganz leichter Anblick, doch wo kommt unser Hochglanzfleisch im Supermarkt wohl sonst her? (Und in Europa gibt es dafür Fabriken und Kettensägen und Massentierhaltung und Hormon/Antibiotika unterstützte Fütterung.) Pape nahm uns mit zu Freunden und Verwandten, denn der Festtag lebt von diesen Besuchen. Gegen Abend ziehen sich dafür alle ihre grossen Umhänge, die Boubous an, die sie oft extra für Tabaski besorgt haben, und ziehen durch die Nachbarschaft. Wir besuchten unter anderem eine Frau, die bei Tostan für das Gefängnisprogramm zuständig ist. Sie war wütend, weil eine der Freiwilligen Tabaski nicht bei ihr verbracht hatte. Trotzdem tischte sie uns eine stattliche Platte mit Schaf und Pommes Frites auf.

Sie erzählte uns, dass die Frauen im Gefängnis zu 30 in einem kleinen Raum von ca. 16 m² ausharren müssen, um ihre meist fünfjährigen Strafen abzusitzen. Vier von diesen Frauen hätten inzwischen ein Kind. Wieso wurden diese Frauen eingesperrt? Meistens, weil sie ihr Kind nicht haben wollten und es töteten. Ein aussereheliches Kind zu haben, wird im Senegal sozial nicht akzeptiert. Also fühlen sich manche Frauen zu diesem Schritt getrieben. Doch werden sie dabei erwischt, erwartet sie die vollständige soziale Isolation. Sie werden für 5-10 Jahre eingesperrt und viele bekommen kaum einen Besuch der Familie. Tostan versucht mit seinem Programm den Frauen den Neueinstieg in die Freiheit zu erleichern, denn ohne Fertigkeiten erwartet sie nach ihrer Entlassung nichts. Was sollen sie dann tun, ohne Familie, ohne Arbeit?

Wir waren Touristen und besuchten Gorée Island, ein ehemaliger Sklavenumschlagplatz, von den Portugiesen eingerichtet und den Franzosen weitergeführt. Die Insel läd zum Shoppen, aber auch zur Auseinandersetzung mit der Geschichte ein. Und wir besuchten den Leuchtturm von Dakar, der eine wunderbare Sicht über die ganze Stadt erlaubt. Wir zogen durch die Strassen und Märkte von Dakar und merkten, tatsächlich, in dieser Stadt kann man gemütlich essen ohne in ein Luxusrestaurant zu gehen, kann man sich auf ein Bier treffen, kann man sich an den vielen bunten Farben berauschen, wenn man den Lärm und den Verkehr und die vielen Händler nicht zu nahe treten lässt. Die Regeln sind hier andere als in Berlin oder Paris, doch die Stadt hat ihren eigenen Charme.

Mit diesen Eindrücken brechen wir hoffentlich wieder in das so andere Landesinnere auf und atmen die Landluft nochmal tief ein. Uns bleiben nur noch wenige Wochen, dann endet unser Aufenthalt. Im Moment weiss ich nicht genau, wo meine Gedanken eigentlich sind.

Dienstag, Januar 10, 2006

Zu Besuch auf deutschem Boden

Es ist Montag, halb Sechs Uhr morgens, unser Gepäck ist bereits auf dem Dach des Buses verstaut, der Lisa, Jonas (der uns für zweieinhalb Wochen besucht) und mich nach Ziguinchor bringen soll. Wir brechen mit einem Tag Verspätung auf, weil Jonas sich beim Pizzaessen eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Jetzt ist alles arrangiert als mir auffällt - mein Reisepass ist verschwunden. Er steckte in meiner Brusttasche. Ohne Reisepass keine Reise durch den Gambia. Ich suche sofort die Umgebung ab, doch ohne Erfolg. Wir schieben die Reise auf, doch noch besteht Hoffnung.

Am Eingang des Gare Routier spricht uns eine freundlicher junger Mann an und bietet sich an zu helfen. Er sucht selbst nach dem Pass, ohne Erfolg. Er erklärt, dass die Polizei ab 7 Uhr offen sei und er uns dort hinbringen werde. Wir warten eine Stunde bei Kaffee und Baguette und spielen Personenraten. Um 7 Uhr sehe ich einen Polizisten, dem ich mein Problem erkläre. Er führt mich sofort zum nächsten Taxi und begleitet mich zur Polizeistelle in Dakar-Innenstadt. Das Taxi bezahlt er für mich.


Um eine Verlustmeldung aufzugebe, brauche ich eine 100Fcfa-Briefmarke, sagen mir die Polizisten dort, die Post öffne in einer halben Stunde, um 8 Uhr. Ich warte und lasse mir die Schuhe putzen. Die Postmitarbeiter sind sehr gemütlich, so dass ich erneut warte. Ein Mitarbeiter des Sozialministeriums spricht mich an und sagt, wie wichtig es sei zu reisen, alle grossen Persönlichkeiten seien gereist. Er scheint sehr erfreut zu sein mit mir zu sprechen und wünscht mir alles Gute.

In der Polizeistelle finde ich ein leeres Zimmer vor. Was wird aus meiner Verlustmeldung? Warten. Zum Glück gibt es eine Toilette... Seife liegt keine aus, ich finde sie im Eimer der Putzfrau. Der Beamte nimmt meine Meldung auf und sagt, ich solle in zwei Stunden wiederkommen. Damit wäre jedoch unsere Reise hinfällig! Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vielleicht brauche ich nur einen Wisch und alles wird gut. Ich überlege also nicht lange und frage ihn, so höflich wie mein Französisch es hergibt, ob es nicht vielleicht auch ein bisschen schneller ginge. Er sagt "attends!", schleicht kurz darauf aus dem Zimmer und kommt mit einer Unterschrift wieder. Jetzt hat er offenbar erkannt, dass ich von Tostan komme und gibt mir die Verlustmeldung euphorisch zurück. Die Briefmarke ist noch drauf. Ich nehme den Zettel mit.

Lisa und Jonas warten am Gare Routier und ich kann sie nicht erreichen. Typisch für Lisas altes Handy. Zum Glück hat sie jetzt ein neues.

Die Verlustmeldung reicht jedoch nicht für eine Grenzüberschreitung. Ich nehme ein Taxi zur deutschen Botschaft. Sie liegt unweit der Assemblé Nationale, die der Taxifahrer kennt. Die Türhüter bei der Polizei sind extrem freundlich und weisen mir den Weg.


Die Botschaft ist ein unauffälliges Gebäude, die Wächter scheinen sich ziemlich über meinen Gruss in Wolof zu freuen. Denn kurz darauf sitze ich im Wartezimmer. Im ganzen Eingangsbereich hängen Bilder deutscher Städte (Adenauer und Köln) und Künstler. Keine afrikanische Kunst. Die Luft ist klimatisiert, obwohl es Winter und kühl ist! Ich fröstle ein wenig. Die Toilette lässt mich grinsen, sie ist westlich. Natürlich gibt es Seife. Handys sind verboten und in der Rezeption hängt ein Frosch, der zum Grinsen auffordert. Es ist nicht zu verpassen. Hier atmet man deutsche Luft ein. Die Wächter scheinen das einzige senegalesische Element in dieser Botschaft zu sein.

Endlich erreicht mich Lisa und ich erkläre ihr innerhalb von zehn Sekunden die Lage. Dann bricht die Verbindung ab.

Die Konsulin, eine Frau mittleren Alters die mich mit "Herr Pfeiffer" anspricht und Schwierigkeiten hat zu lächeln, dennoch auf ihre Art freundlich und hilfsbereit ist, gibt mir drei Formulare, eine Reisepassverlustmeldung, einen Antrag auf neuen Reisepass und eine Erklärung zur Staatsbürgerschaft. Der neue Pass - ein Jahr gültig - kostet knapp 50000 Fcfa, knapp 78 Euro. Es wird jedoch einige Tage dauern. Unsere Reisepläne sind somit hinfällig. Ich informiere Lisa in einem weiteren zehn-Sekunden-Gespräch, dann bricht die Verbindung ab.

Was fehlt ist ein Passbild. Auf den vielen Wegen, die ich jetzt zurücklegen muss, ernte ich viele freundliche Blicke von Händlern. Offenbar sympatisieren sie mit mir, weil ich die ganze Zeit über meinen vollen Reiserucksack mit mir herumschleppe.

Für die neuen fälschungssicheren Pässe, die den US-Anforderung entsprechen und mit biometrischen Daten versehen werde, müssen die Bilder akribischen Anforderungen entsprechen. Ein Blatt mit ungefähr 50 Beispielen, wovon 40 zeigen, wie es nicht sein darf, liegt aus. Grauer Hintergrund, Helle je nach Haarfarbe und Hauttyp, neutraler Gesichtsausdruck, keine Sonnenbrille, kein geneigter Kopf, Kopf muss 70-80 Prozent des Bildes einnehmen, kein Grünstich, keine Gesichtsverhüllung, kein blasses Gesicht... Wie soll ich das dem senegalesischen Photostudie erklären? Doch es klappt gut. Der ironische Gesichtsausdruck, den ich mir nicht verkneifen konnte, geht durch. Es ist halb Elf Uhr und ich atme einmal durch. Nächsten Montag ist das Teil fertig.

PS: Die Suche geht weiter. Der Tostan-Fahrer, Bacc, hat bei den grossen Radiostationen nachgefragt, weil es üblich ist, dort Fundsachen abzuliefern. Es vermeidet Probleme bei der Polizei. Beim Gare Routier ist bisher nichts gesichtet worden. Wahrscheinlich vermutete jemand Geld darin. Der Gare Routier in Dakar wimmelt vor Dieben und Trickbetrügern. Doch von professionellen Fälschern hat man noch nichts gehört. Jemand könnte ihn also wegwerfen. Der neue Pass ist jedenfalls auf dem Weg. Wir fahren also in der nächsten Woche ohne Jonas, der am Wochenende zurückfliegt, nach Ziguinchor. Tabaski verbringen wir in Thiès bei Papes Familie, die uns letzte Woche dazu einlud. In diesen Tagen erfahre ich sowas ein Feriengefühl mit langen Abenden und Ausflügen. C'est bon!

Freitag, Januar 06, 2006

Neujahrstreiben

Lisas Computer war kurzfristig ausser Gefecht gesetzt. So verschlug es uns nach vier Monaten wieder in die nahe gelegene Stadt Thiès, wo Tostan sein Hauptquartier hat. Dort suchen wir den Computerfreak von Tostan auf, der noch ein Cybercafé betreibt, und während eine neue französische (!) Windowsversion auf Lisas Computer fliesst geniesse ich die freue Zeit zum Schreiben. Ich habe gerade ein wohliges Gefühl im Magen, weil der Betreiber des französisch-Senegalesischen Restaurants, dass man uns empfahl, nicht nur ein dezentes Fischgericht servierte, sondern uns auch noch zu einem selbstgemixten Rumcocktail (Ingwergeschmack) einlud, der meinen Rachen aufblühen liess. Wir hatten ihn auf seine Wandkunst angesprochen, die von Rousseaus Dschungel inspiriert war, und schon war der Bann gebrochen. Ein grauhaariger Liebhaber aus der Provence.

In der nächsten Woche ist das grosse muslimische Fest, das Tabaski. Es ist eine grosse Ferienwoche wie bei uns Weihnachten. Die Menschen gehen alle zu ihren Familien, ein Schaf wird geschlachtet (und scharenweise stehen sie überall an den Strassen), ein neues Gewandt, der Boubou, wird gekauft. Die Vorbereitungen beginnen mehr als einen Monat im Voraus.

Die Tage nach unserer Ankunft in Dakar waren gemischt. Ich habe mich nach dem ersten Schock schnell eingewöhnt. Weihnachten war recht schön, wenn auch irgendwie fehlplaziert. Da wir aber mit den Senegalesen bei Tostan zusammen waren, war es in Ordnung. Wir haben zusammen gegessen, zusammen Weihnachts- und nicht-Weihnachtslieder in allen vertretenen Sprachen gesungen (Lisa rettete uns mit einem Kinderlied) und wir haben zusammen senegalesisch getanzt. Der Tanz der Wolof ist ganz anders als der Tanz der Diola, den wir kennen gelernt haben. Den Wein haben wir dann aber doch ohne die Senegalesen getrunken...

Vor Neujahr wurde ich erneut krank. Es ist nicht das erste Mal, gerade im Dezember lag ich schon zweimal flach mit Fieber. Diesmal hatte ich jedoch über drei Tage Symptome, die auf eine bestimmte Krankheit schliessen lassen: unregelmässiges Fieber, Kopfschmerzen, eine Magenverstimmung und Durchfall, Schwindelgefühl. Am vierten Tag besucht mich der lokale Arzt und vermutet Malaria. Die Bahandlung schläg sofort an. Am dritten Tag, dem Ende der Behandlung, bin ich wieder fit. Der Arzt, ein Diola mit einer angenehm ruhigen Art, erklärt mir, dass die Parasiten sich durch die Moskitos immer in unserem Körper befinden und Schwächephasen ausnutzen. Sobald keine neuen Parasiten mehr dazukommen, zerstört die körpereigene Abwehr diese Parasiten jedoch innerhalb 4-6 Monaten. Das heisst, nach unserer Abreise bin ich bald parasitenfrei und muss auch keine neuen Ausbrüche mehr befürchten.
Die Prophylaxetabletten hatte ich gegen Ende November angesetzt, weil mit Ende der Regenzeit die Moskitos zurückgehen. Das Infektionsrisiko sinkt. Ausschliessen kann man es trotzdem nie...

Bei Tostan haben wir uns artig an die Bürozeiten gehalten, um die Regeln, die für alle gelten, zu respektieren. Wir haben den Jahresbericht eines Projekts, das von einer amerikanischen Stiftung finanziert wird, fertiggestellt. Es ging darum zu dokumentieren, was in diesem Jahr in den Projektdörfern geschehen ist und welche Ergebnisse beobachtet wurden. Die Arbeit war etwas trocken, aber doch interessant. Ohne Besuch ist die Verbindung zu den Informationen eher gering. Gleichzeitig schrieben wir ein weiteres Dorfportrait für das gleiche Projekt.

Drei unserer Artikel sind inzwischen auf der Tostan-Website zu finden. Wir sind stolz darauf.
www.tostan.org unter Articles ganz oben (Oulampane, Trainingsseminar, Deklaration Sedo Abass). Leider bisher nur auf Englisch.

Unser nächster und letzter (schluck!!) Auftrag ist eine Studie. Wir sollen untersuchen, wie die Dörfer in einer bestimmten Region miteinander verlinkt sind. Es geht vor allem darum, wer sich mit wem verheiratet. Denn Familienbände sind ganz zentral. Wir werden also Dörfer besuchen und dort erfragen, aus welchen Dörfern die Frauen stammen (es ist immer die Frau, die umzieht, nie der Mann), und in welche Dörfer die dorfeigenen Frauen heiraten. Meistens lässt sich eine feste Gruppe identifizieren. Diese sollen wir herausfinden. Für Tostan ist dies wichtiges Wissen, denn der Grund, dass Mädchen beschnitten werden, so argumentiert Tostan, ist ihre Verheiratbarkeit. Wenn diese gesamte Gruppe, die untereinander heirat (intra-marrying group), sich entscheidet, die Beschneidung nicht mehr als Bedingung für eine Heirat zu stellen, verschwindet ihr Existenzgrund. Da wir in eine Region gehen, wo Tostan derzeit aktiv ist, ist es für Tostan wichtig zu wissen, ob das Programm tatsächlich die gesamte Gruppe erreicht. Ansonsten wird das Programm nicht zum Erfolg führen.

Ich bin sehr gespannt. Uns bleiben ungefähr fünf Wochen für diesen Auftrag, in denen wir 30 Dörfer dieses Projekts besuchen müssten. Wir werden circa drei Wochen nur im "Busch" unterwegs sein, stelle ich mir vor. Mit unserem Material können wir dann eine Karte erstellen, die die Beziehungen der Dörfer untereinander verbildlicht. Wir brechen schon in den nächsten Tagen auf. Es wird wieder ein wenig Hals über Kopf werden, glaube ich. Unser Ziel: Bignona! Wir kehren tatsächlich dorthin zurück, wo wir schon zweieinhalb Monate verbracht haben. Offenbar liegt dort unser Schicksal. Es ist jenes Projekt, für das wir gerade den Jahresbericht geschrieben haben.

Ja, Dakar hat tatsächlich seine schönen Seiten. Sein Markt ist der Hammer. Er zieht sich über mehrere Blöcke hinweg und sorgt für ein wimmelndes Strassentreiben. Die Händler sind verflucht gewitzt und erkennen jeden unsicheren Zug bei Passanten (das sind dann leichte Opfer) und kein Vergleich mit jenen im Rest des Landes. Hier reicht es nicht, einen angebotenen Preis durch 4 oder 5 zu teilen, um auf eine vernünftige Basis zu kommen. Ich stand vor zwei Händlern, die für eine Hose oder ein Bild mit 30000 (F cfa) ansetzten und ich nur mit 2000 antworten konnte. Um dann irgendwo zwischen 5000 und 10000 zu landen. Dazwischen liegt ein Redeschwall, Mitleidsbitten, Hinweise auf die Hohe Qualität und die Preise anderorts oder angebliche koperative Verbindungen zu körperlich beeinträchtigten Künsterlern usw. Verhandele ich mit einem Händler, sammeln sich gleich noch fünf um mich um erst anzubieten, dann beim Verhandeln zu unterstützen. Als gute Freunde sollte man nie auseinandergehen...

Ich stelle seit Dakar vermehrt fest, dass die Rückkehr nach Deutschland sich mir gedanklich nähert. Das Gefühl des Abschieds erscheint. Gerade haben wir unseren Flug umgebucht, um etwas mehr Zeit zum Eingewöhnen nach unserer Rückkehr zu haben. Ich hoffe, dass wir in der Casamance nochmal richtig in die senegalesische Welt abtauchen können und dann mit einem runden Gefühl zurück... ich mag es lieber nicht aussprechen. :)

PS: Ein frohes 2006 allen, denen ich es noch nicht wünschen konnte!

Donnerstag, Dezember 22, 2005

Weihnachten in Dakar

Ich könnte einen deprimierten, pessimistischen Eintrag über unsere Rückkehr nach Dakar machen, wie wenig afrikanisch hier alles ist, wie viel Überfluss sich hier findet, wie wenig es mit dem Leben in der Casamance zu tun hat. Dafür bin ich aber noch zu kurz hier und meine Eindrücke noch zu frisch und einseitig. Der Abschied von Bignona war schwer. Papise hatte gesagt, wir seien eine grosse Familie geworden. Er hat recht. Als ich ihm vor ein paar Tagen sagte, es sei Zeit für uns zurückzukehren, weil unser Auftrag beendet ist, zog er ein betroffenes Gesicht.

Die Erlebnisse in Bignona, und vor allem in den Dörfern, haben einige Spuren in mir hinterlassen. Als wir im September nach Dakar kamen, nahm ich vor allem Gestank, die Hitze, die Hektik, die verfallenen Strassen und die unfertigen Häuser war. Unser Appartment für die Voluntäre schreckte mich ab, weil es heiss war und in der Toilette Ameisen von der Grösse halber Streichhölzer Strassen bauten, und nachts riessige Schaben über den Boden huschten. Dieses Bild scheint sich komplett verändert zu haben. Ich erkenne diese Stadt nicht wieder. Sie ist voller grosser luxuriöser Häuser, sie wimmelt von grossen Autos, in der Innenstadt reiht sich ein schickes Restaurant an das nächste. Das Appartment ist mit glänzenden Steinen ausgelegt und die Leute haben Fernseher. (In den Vierteln, wo Strom ein Fremdwort und Cholera eine reelle Bedrohung ist, waren wir noch nicht.)

Im Moment erscheint mir das alles sehr fremd. In Bignona schienen das Leben und die Menschen viel authentischer zu sein. Sie hatten nicht viele Mittel, aber sie schätzten ihre Familie und ihre Tradition. Hier sieht man kaum Leute in traditioneller Kleidung auf der Strasse. Die Entwicklung scheint daraus zu bestehen, die westliche Kultur nachzuahmen, und nicht unbedingt die guten Seiten. Gerade ist eine grosse Mall, ein riesiger Einkaufspalast, in Bau.

Dass mich dieser Ortswechsel mit solcher Heftigkeit erwischen würde, hatte ich nicht erwartet. Der reinste Kulturschock. Fast wie nach Europa zurückzukommen. Doch dann erinnere ich mich, welche Umstellung Dakar im September bedeutete.

Doch das Bild kann nicht nur trüb sein. Vor allem Cody nach anderthalb Jahren wiederzutreffen, ist toll. Er ist für Tostan in Conakry, Guinea, im Moment jedoch noch bis 28.12. in Dakar. Er hatte mich auf dieses Praktikum gebracht. Kennengelernt haben wir uns in Oregon, als ich dort Gastschüler war vor fünf Jahren. Seitdem haben wir uns in Prag, Lyon und Berlin wiedergesehen. Dann sind da noch einige Leute, mit denen wir im Laufe des Praktikums unterwegs waren, insbesondere Pape. Er hatte die erste Fahrt mit uns gemacht, bis er verletzt von dem ersten Dorfbesuch zurück nach Dakar flüchtete. Das war die Zeit in Kolda Ende September.

Die Ankunft war überraschend. Die Fahrt durch den Gambia verlief erstaunlich problemlos. An der Fähre über den Fluss, der Mungo Park vor knapp 200 als Start für seine Westafrikaexpeditionen diente und er von Mauren entführt und misshandelt wurde, sich einmeterlange Guinea-Würmer in seinen Beinen einpflanzten, warteten wir kaum eine Stunde. Oft sind es Wartezeiten zwischen 3-8 Stunden. Im Dakar-Büro kommen wir rechtzeitig zum Empfang einiger Unterstützer von Tostan, die gerade aus Kalifornien qngekommen waren. Wir werden in eine ausgedehnte Vorstellungs- und Fragerunde eingebunden. Das nach 11 Stunden Fahrt. Mein Adrenalinpegel war jedoch zu hoch, um Müdigkeit wahrzunehmen. Die kam erst nach dem Abendessen. Und mit ihr die Welle Impressionen, die meinen Kopf dem Explodieren nahe bringen.

Mittwoch, Dezember 07, 2005

Bilderblog \2 NEU Betextet

Die letzten Wochen waren voller Reisen und Treffen und dazu noch einem Berg Arbeit, so dass mir kaum Zeit zum Durchatmen blieb. Heute kommen wir gerade vom einem Dorfbesuch zurück, eventuell unser letztes Dorf in der Casamance, denn im neuen Jahr werden wir wahrscheinlich den Standort wechseln. Weihnachten wollen wir noch hier verbringen, weil wir hier wohl dem Gefühl zu Hause zu sein am nächsten kommen. Ich habe von den letzten drei Wochen Bilder gesammelt und sie unsystematisch aufgeängt. Voilà:


In dem Dorf Bougniry, das wir fuer einen Projekt-Jahresbericht von Tostan besucht haben. Dort besuchten wir die Schule und trafen auf diesen Brunnen. Hinten Malamine. Die Lehrer erzaehlten uns aus ihrem Alltag. Sie bauten mit der Hilfe von Eltern ein zusaetzliches Schulgebaeude, weil der Platz nicht reichte. Die Lehrer sagten, sie sammeln fast taeglich Kinder auf, die im Schulalter sind, von ihren Eltner aber nicht eingeschrieben werden. Diese Kinder steigen dann einfach irgendwann im Schuljahr ein und gucken sich alles was sie vorher versaeumt haben von den anderen ab. Die Klassen sind dort meist eine Mischung aus mehreren Jahrgaengen. Die Kinder brachen in totale Aufregung aus, als wir dort mit Kamera ankamen. Eigentlich werden Kinder in der Schule nicht mehr geschlagen, es ist sogar gesetzlich verboten. Diese Lehrer verneinten alle Fragen danach. Aber es gibt durchaus noch Lehrer, die zuschlagen, wenn ein Schueler seine Hausaufgaben vergessen hat, eine Frage nicht richtig beantworten kann oder zu spaet kommt. In dieser Schule gibt es derzeit doppelt so viele Jungen wie Maedchen. Dies wird sich langsam veraendern, weil Tostan auf die Bedeutung von Bildung hinweiset und fuer 100prozentige Einschreibquoten wirbt. Die Dorfverwaltung setzt das meistens um, in diesem Dorf wurden dieses Jahr alle Kinder im Schulalter, Jungen wie Maedchen, eingeschrieben. Leider sind die Kinder bald zu alt, um noch aufgenommen zu werden. Wer jetzt schon acht Jahre alt ist, bekommt keine Moeglichkeit mehr. Der Dorfchef dort, der wegen einer Polioerkrankung an den Beinen gelaehmt ist, kontrolliert selbst jeden Morgen die Anwesenheit der Schueler, weil er Bildung fuer so wichtig haelt. Und der Tostan-Facilitateur geht jede Woche mehrmals in die Schule, um die Schueler ueber ihre Menschenrechte aufzuklaeren (v.a. Recht auf Bildung, gewaltfreie Erziehung, Gesundheit). Bezahlt wird er dafuer von Tostan nicht. Er macht es in seiner Freizeit.

Bei unserem Dorfbesuch in Bougniry hatten wir endlich die Moeglichkeit ein Dorf zu besuchen, in dem Tostan nicht aktiv ist. Dies gab uns die Gelegenheit zu vergleichen. Dass wir in dieses nicht-Tostan-Dorf Tambacounda gehen wuerden, hatte uns allerdings niemand gesagt. So sassen wir vor einer Gruppe Dorfbewohnern, sogar der Marabout (Bild) war da, freuten und wunderten uns ueber den euphorischen Empfang, setzten uns an den Ehrentisch... und erfahren, wo wir hier sind. Doch wir hatten noch nicht einmal Stift und Papier dabei. Weder einen Plan, wie wir sie befragen sollten. Wir nutzten die Begruessungsminuten also fuer eine rasche Besprechung, liessen uns Papier und Stieft geben und es wurde eine spannende Gespraechsrunde. Die Leute waren sehr engagiert, wollten das Programm unbedingt in ihrem Dorf haben, hatten sich sogar beworben, aber konnte nicht ausgewaehlt werden. Es mangelt an Mitteln. Die Leute hatten durch benachbarte Tostan-Doerfer schon viel ueber das Progamm gehoert, FGC und vorzeitige/erzwungene Heirat von Maedchen in der Folge abgeschafft. Aber viele von den Dingen, die sie kannte, praktizierten sie nicht. So hat das Dorf noch viele Probleme mit Krankheiten aufgrund mangelnder Hygiene, fehlenden Impfungen, Geburten ohne aerztliche Hilfe usw. Zum Abschied statteten wir dem Marabout bei sich zu Hause noch einen Besuch ab. Den traditionellen Autoriaeten zu zeigen, dass man sie respektiert, ist extrem wichtig. Ein kurzer Besuch reicht dafuer schon aus. Viele Dorfbewohner kritisierten, dass NGOs aufkreuzen, den Dorfchef und Marabout oder Imam nicht besuchen, irgendwie nur ihre Sache verkaufen wollen.

Duschen unter freiem Himmel sind wunderbar... Dies war die Dusche im Hinterhof unseres Zimmers. Sie wurde von einem Mangobaum umhuellt. Wasser holen die Frauen, manchmal inzwischen auch die Maenner, aus dem Brunnen. Im Dezember war die Sache mit dem Duschen allerdings nicht mehr so unproblematisch wie noch im Novembar - abends ist es kalt geworden. Sich dann kalt zu duschen, ist nicht gerade erste Wahl. In der Casamance war es seit Mitte November nachts kalt geworden und abends kuehlte es recht frisch ab. Wir trugen durchaus lange Hemden, Lisa umhuellte sich mit einem Tuch oder Panje, manchmal legten wir sogar Struempfe an. Nachts musste ich mich mit einem Laken zudecken um nicht zu frieren. Tagsueber bleibt es jedoch warm, geregnet hat es seit ungefaehr sechs Wochen nicht mehr.

Der Imam von Bougniry. Er sprach neben Diola nur Arabisch, deswegen uebersetzte Malamine fuer uns. Er war ein interessanter Gespraechspartner (und sein Duschwasser hatte er sich selbst geholt!). Er unterstuetzt Tostan in jeder Hinsicht und warb bei den Frauen dafuer, sich in die Klasse einzuschreiben. Wenn er nicht betet, arbeitet er auf dem Feld. Malamine lies sich sich zu einigen interessanten Kommentaren hinreissen in diesem Dorf. Die Wolof interziehen ihre Kinder nicht gut, sie kennen keine Gastfreundschaft, ihre Kultur ist nicht gut und sie breiten sie ueberallhin aus. Das Radioprogamm nervte ihn, weil der Sprecher so viel Wolof unter das Diola mischte und eine schlechte ungebildete Sprache spreche. Ich musste sehr schmunzeln. Er hat auf der einen Seite recht. Auf der anderen Seite findet man diese Vorteile gebenueber anderen Ethnien immer wieder. So sagte er bezeichnend im naechsten Satz (da ging es gerade ueber die Mandinka): Die denken das gleiche von uns...

Cap Skirring... Was fuer ein furchtbares Touristennest! Keine drei Meter kann man laufen, ohne irgendwie angequatscht zu werden. Am Strand warten Haendler oder Restauranttypen, die einen unbedingt einladen wollen. Irgendwann badeten wir an diesem Strand, aber wir mussten ganz bis nach hinten links gehen. Wir verbrachten im Endeffekt sieben Stunden im Bus und sechs Stunden dort. Es war ein Erlebnis. Die Landschaft auf dem Weg war wunderschoen gruen und feucht, voller Reisfelder und Palmenwaeldern. Die Strasse war erstaunlich mies. Selbst der Sandboden, der oft die Strasse ersetzte, schien steinhart zu sein, so dass wir ordentlich durchgeschuettelt wurden. Der Bus war auf der Rueckfahrt total ueberfuellt und schien alle fuenf Minuten anzuhalten, um noch mehr Leute aufzunehmen, die an der Strasse standen und winkten. Der Fluss Casamance an der Route Nationale mit Laster. Um nach Bougniry zu kommen, mussten wir den Fluss mit einer Faehre ueberqueren. So entstand das Bild.

Zu einem Zeitpunkt kannte ich mich mit Fussball aus... und manche Sachen vergisst man nie. Der Fahrer des Bueros, Papise, lud uns an einem Wochenende zu sich nach Ziguinchor ein und so konnten wir ein Fussballspiel besuchen. Ein Stadtviertel spielte gegen das andere. Der Laerm war waehrend des gesamten Spiels berauschend. Denn die Frauengruppe, die nicht wie die Maennergruppe ungeruehrt wie im Kino rumsass, tanzte, trommelte, klatschte uns sang das ganze Spiel ueber. Egal wie gut oder schlecht gespielt wurde. Papise zeigte uns noch einige Stadtviertel und besuchte mit uns den Markt fuer Kunsthandwerk.


Bei Papise. Die Familie lebt dort mit 32 Mitgliedern, 4 finanzieren es. Papise ist unter der Woche in Bignona, schlaeft dort in einem kleinen Zimmer neben dem Buero, und kommt nur am Wochenende nach Ziguinchor. Manchmal gibt es jedoch auch am Wochenende Dorftreffen, Deklarationen, dann faellt auch das Wochenende weg. Als Fahrer muss er praktisch immer auf Stand-by sein, seine Arbeitszeiten verlaengern sich haeufig, auf WE bestehen kann er nur schwierig. Ich mag ihn fuer seine natuerliche und bescheidene Art. Er hat eine kleine Tochter.

Ich musste einfach einmal verewigen, wie die Frauen fuer eine grosse Gruppe essen kochen. Dies war beim Evaluationstreffen in Diacounda. Wir assen am ersten Tag Reis und Rindfleisch. Malamine musste die Dorfbewohner davon ueberzeigen, dass Lisa und ich wirklich sehr gerne Fisch essen und uns davon nicht beleidigt fuehlten, weil wegen uns extra ein Huhn geschlachtet werden sollte. Dies ist Tradition bei Besuchen von Auslaendern. Am naechsten Tag gab es Fisch und Gemuese zum Reis. Warum wird bei einem Treffen, auf dem wir absolut nichts beitragen, extra fuer uns gekocht?

Beim Jugendtreffen in Balencin Nord. Tostan veranstaltet nach jedem Modul ein Evalutationstreffen, wo die Teilnehmer ihre Fortschritte demonstrieren sollen. Das Treffen dauerte drei Tage, jeden Abend wurde zum Tamtam (der tradionellen Trommel) getanzt, zum Abschluss gab es ein Fussballspiel. Hier sitzen die Schueler in dem Klassenzimmer der Schule, wo das Treffen ablief. Normalerweise sitzen die Teilnehmer in Halbkreisen, hier fehlte jedoch der Platz und ausserdem waren die Baenke viel zu schwer. Ich war mit einem Fieber angereist und hatte den ersten Abend vor mir her getraeumt. Dann ging es jedoch besser. An einem Abend wurde ein Theaterstueck aufgefuert. Ein Maedchen wurde mit 12 Jahren verheirat und wurde schwanger. Bei der Geburt kommt es zu Komplikationen. Der Vater hatte sich geweigert, sie nicht zu verheitaten, obwohl sie ihn ueber ihre Rechte aufgeklaert hatte. Doch er als Familienoberhaupt wollte sich nicht reinreden lassen, er war geradezu empoert ueber seine Tochter. Als der Arzt dann jedoch die Probleme feststellte, zeigte er ihn an und der Vater landete im Gefaengnis. Sketche und kleine Theaterstuecke sind eine Weise, den Menschen, die oft nicht lesen und schreiben koennen, Wissen zu vermitteln. Hier war der Punkt, dass FGC und vorzeitige Heiraten illegal sind und bei Maedchen zu schweren koerperlichen und psysischen Problemen fuehren koennen. Ist es in vielen Regionen noch ein absolutes Tabu, ueberhaupt ueber diese Themen zu sprechen, geben die Tostan-Teilnehmer einen unterhaltsamen Denkanstoss. Sie belehren nicht, sie sensiblisieren nur. Diese Stuecke koennen richtige Erdbeben in Doefern ausloesen. In Bougniry hatte das Dorf entschieden, FGC abzuschaffen, nachdem sie einen solchen Sketch bei der oeffentlichen Deklaration von Oulampane 2003 gesehen hatten. Sie Laute sagten uns, dadurch dass der Sketch in Diola aufgefuehrt wurde, konnten wir ihn sofort verstehen. Ohne eine Klasse gehabt zu haben, trafen sie diese Abschaffungsentscheidung. Anderhalb Jahre spaeter deklarierten sie dann selbst mit, um ihre Entscheidung zu bekraeftigen.