Kleines groß erlebt
Die letzten Tage habe ich mich guter Gesundheit erfreut, was meinem Gemüt ausgesprochen gut getan hat. Fast wie nach einer Feuertaufe bin ich nach meiner vermutlichen Lebensmittelvergiftung auferstanden und, wie Janis es wohl sagen würde, hab’ Dakar gerockt. Wir waren im Meer baden, haben die City angesteuert, den Kunsthandwerkmarkt besucht (anstrengend, wenn man sich keine zwei Meter bewegen kann, ohne von einem Händler aufgegabelt zu werden), viel gegessen (meine ultimative Kohlenhydratzufuhr und ultimativer Brotersatz sind Cornflakes geworden, mit Apfelsaft serviert), um abends noch stundenlang bei den Mädels im Zimmer zu reden, quatschen, herumzualbern, diskutieren, uns von leckeren und kreativen Gerichten Geschichten zu erzählen, die wir in unserer jeweiligen Heimat kennen und lieben. Mein Besuch in Oregon (Rückkehr nach fünf Jahren?) nächsten Sommer ist fest eingeplant, damit ich in Eugene, OR die vielen Kreationen veganer Küche erkunden und nach Deutschland einführen kann. Channon sei Dank. Leider ging es nicht allen Freiwilligen so gut, eines unserer Mädels hatte offenbar eine Vergiftung und wurde in ihrem Bett von einer Flohart attackiert. In professioneller Hinsicht bereiten wir unsere Abreise in die Casamance vor, wo wir u.a. für das Deutsche Komitee für Unicef, einer der größten Unterstützer von Tostan, Berichte auf Deutsch schreiben und ein Tostan-Dorf nahe der Stadt Kolda besuchen und portraitiere sollen. Ob wir in die Casamance chauffiert werden, oder einen öffentlichen Kleinbus nehmen müssen, entscheidet sich heute.
Ich werde versuchen, diesem Eintrag noch einige Bilder hinzuzufügen sobald wie möglich...
Wie die Tankstelle zur persönlichen Oase wird
Grelle Lichter, Benzin- und Reifengeruch, steriler Kassen- und Shoppingbereich – die Atmosphäre einer Tankstelle in Dakar unterscheidet sich nicht von der Atmosphäre einer Tankstelle in Berlin, Erfurt, Frankfurt oder Paris. Der Stellenwert kann hier jedoch ein anderer sein. Am Donnerstag sind Lisa, Channon (unsere Kollegin aus Oregon) und ich für einen gemütlichen Kaffee zu der lokal Mobil-Tankstelle spaziert. Da Kaffee hier meistens aufgegossener Instant-Nescafé heißt, kann eine schöne frisch gebrühte Tasse schon einen kleinen Weg wert sein. Die Mobil-Tankstelle ist an einige kleinere Fast-Food-Restaurants angeschlossen, in der Art der Potsdamer Bahnhofspassagen. Es gibt einige Sitzgelegenheiten. Wir drei bestellen uns also unseren frischen Kaffee an der Theke, ich suche mir noch Orangensaft und Cornflakes raus und wir setzen uns. Der Kaffee wird gebracht, an Servicepersonal mangelt es hier nicht, drei, vier Leute finden sich immer, und eine Bediengelegenheit wird gerne wahrgenommen. Vor allem, wenn, wie an diesem Mittag, die Tankstelle fast leer ist. Und irgendwie fühlen wir uns unglaublich wohl, diese Tankstelle ist fast wie eine kleine Oase in diesem Moment. Wir trinken ein vertrautes Getränk, essen ein vertrautes Frühstück. Ich vermisse kalte Kohlenhydratnahrung, sprich Brot, sehr, deswegen hatte ich ein starkes Bedürfnis nach Ersatz. Lisa raucht, was sie hier sehr selten tut wegen der Hitze, wir unterhalten uns. Vielleicht ist es die Vertrautheit – so unmöglich das klingen mag – des kühlen, grellen Raums, der unser Wohlbehagen auslöst und uns vergessen lässt, dass wir in unserer jeweiligen Heimat nie auf die Idee kämen, in einer Tankstelle zu frühstücken. Wir gehen aufgemuntert zurück ins Büro.
Der Ort hat übrigens einen Vorteil. Als wir dort hingingen war in Dakar, es regnete, gerade Stromausfall, unser Büro war lahm gelegt. Die Tankstellen sind vom öffentlichen Strom jedoch unabhängig.
Kaffee und Kodak
Eine einfache Erledigung kann hier manchmal zu einem kleinen Erlebnis werden. Am Donnerstagabend war so ein Fall. Eigentlich habe ich nur ein paar Passbilder gebraucht, für mein Visum. Lisa und ich machen uns also auf Socken. Wir haben nur eine vage Vorstellung von der Lage des Fotoshops, fragen deshalb Leute auf der Straße und glänzen dabei ein bisschen mit unseren neuen Wolof-Kenntnissen – viele Leute hier lieben es, wenn man auch nur einige wenige Brocken spricht. Der Laden ist leicht aufzuspüren, ein Kodak-Shop. Der Strom ist gerade wieder ausgefallen, bereits zum zweiten Mal an diesem Tag. Ohne Strom, keine Bilder. Doch der Inhaber ist wenig beunruhigt, er fragt uns, ob wir noch Geschäfte zu erledigen haben und lädt uns zum Warten ein. Wir setzen uns auf eine Bank, außer den Straßenlaternen keine Lichtquelle in der nächsten Umgebung (na ja, die Tankstellen…). Die Straßenlaternen fallen nur zwischenzeitlich ganz kurz aus. Wir wechseln einige Worte. Der Inhaber hat eine französische Mutter, ist aber Senegalese, verheiratet, eine kleine vierjährige Tochter. „Zwei Kinder sind schon zu viel“, meint er, Lisa und ich sind überrascht. Seinen Laden hat er erst ganz neu, erst vier Monate. Es kommen viele Fotografen mit ihren Filmen, er meint, das Geschäft laufe gut. Wir lassen uns einige Beispiele entwickelter Bilder vorführen und bekommen einen Haufen bunter Hochzeitsbilder, Bilder von Marabouts mit dem Mekka im Hintergrund, Bilder des Präsidenten, Wade, Bilder von Festen und viele Portraits zu sehen. Die Menschen auf den Passbildern gucken ernst, was ich später imitieren werde. Zwischendurch kommt ein kleines Mädchen mit einem Tablett auf dem Kopf vorbei, es verkauft Kaffee Touba. Wir werden eingeladen. Unser Gastgeber, als den ich ihn bereits wahrnehme, erklärt uns die Vorzüge dieses koffeinfreien, jedoch sehr anregenden Getränks, süß serviert, äußerst stark (wie auch der Tee), leichter Kaffeebohnengeruch, würzig, lecker. Nachdem wir unser kleines Glas ausgetrunken haben, zieht sie weiter. Er beklagt sich, wie schlecht das kleine Mädchen aufbrüht. Gerade in dem Moment, als wir die Bilder durchgeschaut haben, gehen plötzlich das Licht und der Fernseher wieder an, die Stadt wird erleucht, der Ausfall hat erneut mehr als eine Stunde gedauert. Sie wird erleuchtet, soweit sie an elektrischen Strom angeschlossen ist. In vielen Häusern selbst in unserer Nachbarschaft kann kein Strom ausfallen, es gibt dort keinen. Wir machen meine Bilder, vier Stück für 2000 F CFA (ca. 3,20 Euro real), verabschieden uns, werden herzlich für weitere Kaffee Touba eingeladen. Die Passbilder sind an diesem Abend das Nebensächlichste, was ich mitnehme.
Visum, Rückflug, Boubou
Dakar-City an einem Freitagmorgen anzusteuern will wohl überlegt sein. Der Verkehr ist zäh. Wir hatten gestern keine Wahl. Zum Glück hatte es über Nacht nur wenig geregnet, sonst hätten die Straßen unter Wasser stehen können. Bacc, der Fahrer von Tostan, klingelt um 8:10 Uhr heftig, er wartet seit zehn Minuten und will endlich los. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich wir Toubabs uns in diesem Verkehrschaos behaupten würden. Unser erster Termin war das Innenministerium, Visumsverlängerung. Welches Büro dafür zuständig ist, wussten wir nicht, der Pförtner ebenso wenig, beim zweiten Büro fand sich dann aber ein freundlicher Soldat (?), der uns zum richtigen Ort begleitete. Der Beamte (?) dort sitzt an einem einfachen Schreibtisch, blättert ein wenig, guckt sich unsere Unterlagen mürrisch an, es stehen einige wenige Aktenschränke an den Wänden. Ein Computer im ganzen Zimmer, in dem offenbar mehrere Beamte arbeiten. Uns drückt man eine Wartenummer in die Hand, mit der wir nächste Woche zurückkommen sollen. Das hält Molly, die Direktorin von Tostan, jedoch für zu optimistisch, auf keinen Fall sollen wir warten mit unserer Abreise in die Casamance, die für Ende dieser Woche angesetzt ist. Es gibt offenbar einige Tricks, darunter sich einfach bei der Einreise aus Gambia ein neues Dreimonatsvisum zu besorgen. Gambia muss man normalerweise ohnehin durchqueren auf dem Weg zwischen der Casamance und Dakar. Normalerweise, wenn die Grenze nicht gerade geschlossen ist und man in einem riesigen Umweg um Gambia herum fahren muss wie im Moment… Aber das Thema wird uns Ende der Woche beschäftigen.
Unser nächster Termin war das Alitalia-Büro in der Innenstadt, unweit des Place de l’Indépendance. Weil das automatische Senegal-Visum für Europäer nur drei Monate gültig ist, hatten wir unseren Rückflug innerhalb dieser Periode gebucht, um mögliche Schwierigkeiten beim Check-in zu vermeiden. Interessiert hat es dann tatsächlich niemanden. Jetzt müssen wir es jedoch umbuchen, was bedeutet – und das ist ein merkwürdiger Gedanke –, dass wir uns jetzt schon definitiv auf unseren Rückflug festlegen müssen. In sechs Monaten! Immerhin eröffnet das die Möglichkeit, gleich nach einem Flug nach Madrid zu suchen (fühlt sich dort jemand angesprochen?).
Nach diesen Anstrengungen gehen die drei Freiwilligen gemütlich in einem europäischen Restaurant frühstücken und genießen die heimische Atmosphäre… Dakar bietet Restaurants und Bars in jeder Preisklasse und es lohnt sich, die verschiedenen Orte zu besuchen. Gestern zum Beispiel waren wir orientalisch essen, Falafel, Humus etc.
Doch Dakar hat uns schnell wieder. Der letzte Termin liegt in einem ganz anderen Teil der Stadt, ein Schneider, bei dem wir unsere Boubous fertigen lassen. Mit unserem Taxi haben wir Glück. Wenn man so durch die Straßen cruist, langsam, wegen der Verkehrsdichte, kommt ein echtes Senegalesisches Gefühl auf. Die Radiomusik springt zwischen traditionell und westlich, alle fünfzig Meter läuft ein Verkäufer vorbei und präsentiert seine Waren, Handys, Kleenex, Armbanduhren, Batiktücher, gekühltes Wasser, die Taxi-Insassen zerlaufen in der stickigen, rußigen Hitze, wir passieren den Obélisque, der die Unabhängigkeit von 1960 zelebriert. Ich weiß nicht, wie lange wir für die kurze Strecke gebraucht haben bei einem Tempo, das sich einer Schrittgeschwindigkeit genähert hat. Channon gibt dem Fahrer bei unserer Ankunft einen Preisaufschlag wegen dieses Verkehrs, denn Motoren schwitzen Benzin bei diesem Tempo aus wie es Menschen bei Hitze tun.
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