Donnerstag, September 15, 2005

Aufbruch aus Dakar

Es ist bei einem Praktikum mit der Senegal-NGO Tostan extrem wichtig, dass man einen kühlen Kopf behält, auch wenn sich die Pläne im Tagesrythmus ändern und man am Mittag vor dem eignetlichen Abfahrtstag erfährt, dass man doch abends schon aufbrechen muss.

Auf der Habenseite ist in unserem Fall zu verbuchen, dass Alitalia es immerhin heute geschafft hat, unsere Tickets umzubuchen, nachdem wir dort bereits einmal vor Ort waren, dann viermal angerufen haben, ohne den versprochenen Rückruf zu erhalten, und schließlich uns bei einem weiteren Besuch die Tür vor der Nase zugeschlossen wurde wegen Mittagspause. Fünf Minuten vor Pausenbeginn. Heute wurden wir begnadigt. Es war lediglich notwendig, die Umbuchungsgebühr von 32400 F CFA bar und passend zu bezahlen. Ich fühlte mich an die römische Metro erinnert, in der ein Ticket lediglich für par und passend 0,70 Euro zu erstehen war. (Anderfalls bitte schwarz fahren.) Jetzt halten wir das Ticket also in Händen, am 10. März 2006 hat uns Berlin wieder.

Mit unserer Aufenthaltsverlängerung hatten wir weniger Glück, der Minister persönlich müsse diese unterzeichnen und das dauere noch ein paar Tage. Immerhin mussten wir heute nicht durch drei Büros laufen. Wir werden ohne aufbrechen, lediglich mit Kopien. Das wird gut gehen In'schallah!

Wir brechen also etwas hastiger als erwartet auf, machen eine Nacht Zwischenstation in Thiès, das ca. 90 Minuten von Dakar entfernt liegt. Der einzige Grund dafür sind die Transportkosten, offenbar gibt es ein Problem mit der Transaktion oder mit dem Scheck, jedenfalls können wir und Pape unsere Erstattung hier in Dakar nicht bekommen. Pape, unsere senegalesische Begleitung, hat sich bereits dorthin auf den Weg gemacht. Er will noch seine (kranke?) Mutter besuchen. Morgen fahren wir dann weiter nach Kolda wie besprochen.

Durch unseren Zwischenaufenthalt umgehen wir nicht die Folgen eines kleinen diplomatischen Problems. Der Senegal und Gambia unterhalten nicht die besten Beziehungen. Wirtschaftlich steht der Senegal besser dar. Der Gambia versucht deshalb ein wenig von seinem Nachbarn zu profitieren, indem er auf dem Fluss Gambia Fährkosten von den zahlreichenden Durchfahrern aus dem Senegal erhebt. Der Weg durch das nur 30 km breite Gambia ist die einzige Verbindung zwischen der Hauptstadt und der Südregion des Senegal, der Casamance, seitdem es 2002 ein großes Schiffsunglück gegeben hatte, bei dem rund 1900 Menschen ertrunken sind. Der Gambia hat also sozusagen ein Monopol auf die Nord-Süd-Verbindung. Dies nutzt er durch regelmäßige Preiserhöhungen aus, und vor kurzer Zeit erreichte dies den Punkt, dass der Senegal die Fähre boykottierte. Somit gibt es keine Nord-Süd-Verbindung im Moment, und Reisende in den Süden müssen den Gambia, der sich 300 km in den Senegal hineinschlängelt, umfahren. Kolda liegt ungefähr vier Stunden vor Bignona. Da wir den Gambia nun ohnehin umfahren müssen, sparen wir also wenigstens das. Wir erwarten eine Fahrtzeit von circa acht Stunden von Thiès, die wir in eimem sept-place zurücklegen werden. So der Plan. On va voir.

Am gestrigen Tag habe ich mich von einem neuen Haarstyle überzeugen lassen, abends waren wir bei Mariama, der Sekretären von Tostan, zum Abendessen, es gab ein senegalesisches Hirsegericht. Mariama hat gerade Besuch von einer Französin, die hier zwei Monate ein Praktikum bei der Tageszeitung Le Matin macht. Sie hat beobachtet, dass das Französisch in den Zeitungen hier von sehr wechselhaftem Standard ist, von literarisch bis verquert innerhalb eines Absatzes. Die Regierungspartei scheint Druck auf kritische Journalisten auszuüben. In ihrer Redaktion zweifelt man die demokratischen Qualitäten des Präsidenten, Wade, an. Dabei gilt er in Europa als Afrikanischer Musterdemokrat.

Voilà dann wenden wir Dakar jetzt also für eine Weile den Rücken zu, ich bin gespannt, was uns auf dem Land erwarten wird. Bignona scheint nicht so übel zu sein, offenbar sind Cybercafés verbreitet. Sich in das Leben hier einzufinden ist mir sehr leicht gefallen, weil ich auf aufgeschlossene und hilfsbereite Freiwillige und ein ebenso aufgeschlossenes Tostan-Team gestoßen bin. Das hat mir sehr geholfen, mich mit den Regeln und Gewohnheiten zu arrangieren. Die Ameisen in der Küche gehören so schnell zum Bild, die Schaben bei Nacht auf unseren Fußböden und in unseren Schränken sind dann irgendwann nur noch Schaben, die ja aber nicht beißen, die Moskitos werden eine unvermeidbare Lästigkeit, von denen man sich nicht verrückt machen lassen darf, weil ihre Gefahr viel niedriger ist als der Stress, den die Angst vor ihnen auslösen kann. Das Moskitonetz ist eine große Beruhigung. Der anfangs fast unerträgliche Ruß auf den Straßen, der sich mit der feuchten Hitze und dem Geruch von verwesenden Abfällen vermischt, wird bald zum charakteristischen "Geruch Senegal", den wir alle an uns tragen.

Dass sich unsere Abfahrt so sprunghaft hin und her verschob gehört irgendwie in diesen Lebensstil, in dem einiges langsamer, vieles aber vor allem unplanmäßiger abläuft. Mit neuen Erlebnissen wird sich das Adrenalin in meinem Blut wieder verteilen.

Ich werde mich in ungefähr einer Woche hier wieder melden, vielleicht aber auch schon morgen, vielleicht auch erst später. Die Abfahrt ist für 19 Uhr angesetzt. Ich muss noch packen und einige Kleinigkeiten erledigen.

A bientôt!