Neujahrstreiben
Lisas Computer war kurzfristig ausser Gefecht gesetzt. So verschlug es uns nach vier Monaten wieder in die nahe gelegene Stadt Thiès, wo Tostan sein Hauptquartier hat. Dort suchen wir den Computerfreak von Tostan auf, der noch ein Cybercafé betreibt, und während eine neue französische (!) Windowsversion auf Lisas Computer fliesst geniesse ich die freue Zeit zum Schreiben. Ich habe gerade ein wohliges Gefühl im Magen, weil der Betreiber des französisch-Senegalesischen Restaurants, dass man uns empfahl, nicht nur ein dezentes Fischgericht servierte, sondern uns auch noch zu einem selbstgemixten Rumcocktail (Ingwergeschmack) einlud, der meinen Rachen aufblühen liess. Wir hatten ihn auf seine Wandkunst angesprochen, die von Rousseaus Dschungel inspiriert war, und schon war der Bann gebrochen. Ein grauhaariger Liebhaber aus der Provence.
In der nächsten Woche ist das grosse muslimische Fest, das Tabaski. Es ist eine grosse Ferienwoche wie bei uns Weihnachten. Die Menschen gehen alle zu ihren Familien, ein Schaf wird geschlachtet (und scharenweise stehen sie überall an den Strassen), ein neues Gewandt, der Boubou, wird gekauft. Die Vorbereitungen beginnen mehr als einen Monat im Voraus.
Die Tage nach unserer Ankunft in Dakar waren gemischt. Ich habe mich nach dem ersten Schock schnell eingewöhnt. Weihnachten war recht schön, wenn auch irgendwie fehlplaziert. Da wir aber mit den Senegalesen bei Tostan zusammen waren, war es in Ordnung. Wir haben zusammen gegessen, zusammen Weihnachts- und nicht-Weihnachtslieder in allen vertretenen Sprachen gesungen (Lisa rettete uns mit einem Kinderlied) und wir haben zusammen senegalesisch getanzt. Der Tanz der Wolof ist ganz anders als der Tanz der Diola, den wir kennen gelernt haben. Den Wein haben wir dann aber doch ohne die Senegalesen getrunken...
Vor Neujahr wurde ich erneut krank. Es ist nicht das erste Mal, gerade im Dezember lag ich schon zweimal flach mit Fieber. Diesmal hatte ich jedoch über drei Tage Symptome, die auf eine bestimmte Krankheit schliessen lassen: unregelmässiges Fieber, Kopfschmerzen, eine Magenverstimmung und Durchfall, Schwindelgefühl. Am vierten Tag besucht mich der lokale Arzt und vermutet Malaria. Die Bahandlung schläg sofort an. Am dritten Tag, dem Ende der Behandlung, bin ich wieder fit. Der Arzt, ein Diola mit einer angenehm ruhigen Art, erklärt mir, dass die Parasiten sich durch die Moskitos immer in unserem Körper befinden und Schwächephasen ausnutzen. Sobald keine neuen Parasiten mehr dazukommen, zerstört die körpereigene Abwehr diese Parasiten jedoch innerhalb 4-6 Monaten. Das heisst, nach unserer Abreise bin ich bald parasitenfrei und muss auch keine neuen Ausbrüche mehr befürchten.
Die Prophylaxetabletten hatte ich gegen Ende November angesetzt, weil mit Ende der Regenzeit die Moskitos zurückgehen. Das Infektionsrisiko sinkt. Ausschliessen kann man es trotzdem nie...
Bei Tostan haben wir uns artig an die Bürozeiten gehalten, um die Regeln, die für alle gelten, zu respektieren. Wir haben den Jahresbericht eines Projekts, das von einer amerikanischen Stiftung finanziert wird, fertiggestellt. Es ging darum zu dokumentieren, was in diesem Jahr in den Projektdörfern geschehen ist und welche Ergebnisse beobachtet wurden. Die Arbeit war etwas trocken, aber doch interessant. Ohne Besuch ist die Verbindung zu den Informationen eher gering. Gleichzeitig schrieben wir ein weiteres Dorfportrait für das gleiche Projekt.
Drei unserer Artikel sind inzwischen auf der Tostan-Website zu finden. Wir sind stolz darauf. www.tostan.org unter Articles ganz oben (Oulampane, Trainingsseminar, Deklaration Sedo Abass). Leider bisher nur auf Englisch.
Unser nächster und letzter (schluck!!) Auftrag ist eine Studie. Wir sollen untersuchen, wie die Dörfer in einer bestimmten Region miteinander verlinkt sind. Es geht vor allem darum, wer sich mit wem verheiratet. Denn Familienbände sind ganz zentral. Wir werden also Dörfer besuchen und dort erfragen, aus welchen Dörfern die Frauen stammen (es ist immer die Frau, die umzieht, nie der Mann), und in welche Dörfer die dorfeigenen Frauen heiraten. Meistens lässt sich eine feste Gruppe identifizieren. Diese sollen wir herausfinden. Für Tostan ist dies wichtiges Wissen, denn der Grund, dass Mädchen beschnitten werden, so argumentiert Tostan, ist ihre Verheiratbarkeit. Wenn diese gesamte Gruppe, die untereinander heirat (intra-marrying group), sich entscheidet, die Beschneidung nicht mehr als Bedingung für eine Heirat zu stellen, verschwindet ihr Existenzgrund. Da wir in eine Region gehen, wo Tostan derzeit aktiv ist, ist es für Tostan wichtig zu wissen, ob das Programm tatsächlich die gesamte Gruppe erreicht. Ansonsten wird das Programm nicht zum Erfolg führen.
Ich bin sehr gespannt. Uns bleiben ungefähr fünf Wochen für diesen Auftrag, in denen wir 30 Dörfer dieses Projekts besuchen müssten. Wir werden circa drei Wochen nur im "Busch" unterwegs sein, stelle ich mir vor. Mit unserem Material können wir dann eine Karte erstellen, die die Beziehungen der Dörfer untereinander verbildlicht. Wir brechen schon in den nächsten Tagen auf. Es wird wieder ein wenig Hals über Kopf werden, glaube ich. Unser Ziel: Bignona! Wir kehren tatsächlich dorthin zurück, wo wir schon zweieinhalb Monate verbracht haben. Offenbar liegt dort unser Schicksal. Es ist jenes Projekt, für das wir gerade den Jahresbericht geschrieben haben.
Ja, Dakar hat tatsächlich seine schönen Seiten. Sein Markt ist der Hammer. Er zieht sich über mehrere Blöcke hinweg und sorgt für ein wimmelndes Strassentreiben. Die Händler sind verflucht gewitzt und erkennen jeden unsicheren Zug bei Passanten (das sind dann leichte Opfer) und kein Vergleich mit jenen im Rest des Landes. Hier reicht es nicht, einen angebotenen Preis durch 4 oder 5 zu teilen, um auf eine vernünftige Basis zu kommen. Ich stand vor zwei Händlern, die für eine Hose oder ein Bild mit 30000 (F cfa) ansetzten und ich nur mit 2000 antworten konnte. Um dann irgendwo zwischen 5000 und 10000 zu landen. Dazwischen liegt ein Redeschwall, Mitleidsbitten, Hinweise auf die Hohe Qualität und die Preise anderorts oder angebliche koperative Verbindungen zu körperlich beeinträchtigten Künsterlern usw. Verhandele ich mit einem Händler, sammeln sich gleich noch fünf um mich um erst anzubieten, dann beim Verhandeln zu unterstützen. Als gute Freunde sollte man nie auseinandergehen...
Ich stelle seit Dakar vermehrt fest, dass die Rückkehr nach Deutschland sich mir gedanklich nähert. Das Gefühl des Abschieds erscheint. Gerade haben wir unseren Flug umgebucht, um etwas mehr Zeit zum Eingewöhnen nach unserer Rückkehr zu haben. Ich hoffe, dass wir in der Casamance nochmal richtig in die senegalesische Welt abtauchen können und dann mit einem runden Gefühl zurück... ich mag es lieber nicht aussprechen. :)
PS: Ein frohes 2006 allen, denen ich es noch nicht wünschen konnte!
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