Mittwoch, Oktober 26, 2005

Kurz auftauchen, Luft holen

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, mich ein wenig zurücklehnen, die Gedanken schweifen lassen, die Eindrücke der letzten fünf Tage verarbeiten zu können. Doch daraus wird nichts. Gestern sind wir von fünf Tagen "im Busch" oder zwei traditionellen Dörfern zurückgekehrt, am Samstag brechen wir für den nächsten Besuch auf, drei Tage in einem weiteren ehemaligen Tostan-Dorf (Unicef-Projekt 2001-2004). Der Termin ist knapp. Denn in der nächsten Woche endet der Ramadan und die Fastenzeit wird mit einem grossen Fest, dem "Korité" (nicht dem Tabaski, wie ich erst dachte, Tabaski folgt im Februar und ist des Korités grosser Bruder), in die Wüste geschickt. Das Fest überdauert Donnerstag und Freitag. Malamin, unser Begleiter und Übersetzer der letzten Tage, hat uns in sein Dorf, zu seiner Familie eingeladen, und diese Chance wollten sich Lisa und ich nicht entgehen lassen. Denn in den Dörfern wissen sie zu feiern.

Unser Aufenthalt in den beiden Dörfern ist sehr gut verlaufen. Keine Probleme mit dem Essen, keine wilden Moskitos, keine Schlangen, keine Blessuren. Wir konnten die Gastfreundschaft geniessen und ergebnisreiche Interviews führen. Ich bin zufrieden und war heute erstaunt, wie ich nach fünf Tagen voller Impressionen und Entdeckungen, schliesslich einer langen Nacht zurück im Büro, völlig antriebslos rumhing. Keine Lust auf Arbeit. Völlig platt. Dann die Planung, schon am Samstag weiter zu machen anstatt erstmal wirken zu lassen. (Dies hat mir tatsächlich einen Schub verpasst, denn ich würde gerne mit Lisa schon den Artikel entwerfen, einen Eintrag in mein Tagebuch machen, bloggen... und plötzlich sitzen wir auf der Ladefläche des Jeeps und fahren nach Ziguinchor, wo ein Cybercafé auf unseren Besuch nur wartet, und ich bin überhaupt nicht vorbereitet.)

Ich versuche also bis Samstag, noch ein paar Beobachtungen von den Dörfern niederzuschreiben und ein paar Bilder dazuzupacken, es sind ein paar nette entstanden. Bacary spricht gerade im Radio über Tostan wie jeden Mittwoch, die Direktorin Molly Melching bereitet ihre Rückkehr aus Kenia vor, wo sie eine Woche weilte (wofür bloss?), Lisa updatet ihren Blog, die Leute essen Sandwiches und trinken Milchkaffee nach einem weiteren Tag des Fastens, unser Huhn (ein Geschenk einem Dorf) sitzt vielleicht gerade wieder auf der Wäscheleine und unter ihm zerbricht ein Ei auf der verhängnisvollen Mistgrube. Ich atme tief durch.