Zu Besuch auf deutschem Boden
Es ist Montag, halb Sechs Uhr morgens, unser Gepäck ist bereits auf dem Dach des Buses verstaut, der Lisa, Jonas (der uns für zweieinhalb Wochen besucht) und mich nach Ziguinchor bringen soll. Wir brechen mit einem Tag Verspätung auf, weil Jonas sich beim Pizzaessen eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Jetzt ist alles arrangiert als mir auffällt - mein Reisepass ist verschwunden. Er steckte in meiner Brusttasche. Ohne Reisepass keine Reise durch den Gambia. Ich suche sofort die Umgebung ab, doch ohne Erfolg. Wir schieben die Reise auf, doch noch besteht Hoffnung.
Am Eingang des Gare Routier spricht uns eine freundlicher junger Mann an und bietet sich an zu helfen. Er sucht selbst nach dem Pass, ohne Erfolg. Er erklärt, dass die Polizei ab 7 Uhr offen sei und er uns dort hinbringen werde. Wir warten eine Stunde bei Kaffee und Baguette und spielen Personenraten. Um 7 Uhr sehe ich einen Polizisten, dem ich mein Problem erkläre. Er führt mich sofort zum nächsten Taxi und begleitet mich zur Polizeistelle in Dakar-Innenstadt. Das Taxi bezahlt er für mich.
Um eine Verlustmeldung aufzugebe, brauche ich eine 100Fcfa-Briefmarke, sagen mir die Polizisten dort, die Post öffne in einer halben Stunde, um 8 Uhr. Ich warte und lasse mir die Schuhe putzen. Die Postmitarbeiter sind sehr gemütlich, so dass ich erneut warte. Ein Mitarbeiter des Sozialministeriums spricht mich an und sagt, wie wichtig es sei zu reisen, alle grossen Persönlichkeiten seien gereist. Er scheint sehr erfreut zu sein mit mir zu sprechen und wünscht mir alles Gute.
In der Polizeistelle finde ich ein leeres Zimmer vor. Was wird aus meiner Verlustmeldung? Warten. Zum Glück gibt es eine Toilette... Seife liegt keine aus, ich finde sie im Eimer der Putzfrau. Der Beamte nimmt meine Meldung auf und sagt, ich solle in zwei Stunden wiederkommen. Damit wäre jedoch unsere Reise hinfällig! Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vielleicht brauche ich nur einen Wisch und alles wird gut. Ich überlege also nicht lange und frage ihn, so höflich wie mein Französisch es hergibt, ob es nicht vielleicht auch ein bisschen schneller ginge. Er sagt "attends!", schleicht kurz darauf aus dem Zimmer und kommt mit einer Unterschrift wieder. Jetzt hat er offenbar erkannt, dass ich von Tostan komme und gibt mir die Verlustmeldung euphorisch zurück. Die Briefmarke ist noch drauf. Ich nehme den Zettel mit.
Lisa und Jonas warten am Gare Routier und ich kann sie nicht erreichen. Typisch für Lisas altes Handy. Zum Glück hat sie jetzt ein neues.
Die Verlustmeldung reicht jedoch nicht für eine Grenzüberschreitung. Ich nehme ein Taxi zur deutschen Botschaft. Sie liegt unweit der Assemblé Nationale, die der Taxifahrer kennt. Die Türhüter bei der Polizei sind extrem freundlich und weisen mir den Weg.
Die Botschaft ist ein unauffälliges Gebäude, die Wächter scheinen sich ziemlich über meinen Gruss in Wolof zu freuen. Denn kurz darauf sitze ich im Wartezimmer. Im ganzen Eingangsbereich hängen Bilder deutscher Städte (Adenauer und Köln) und Künstler. Keine afrikanische Kunst. Die Luft ist klimatisiert, obwohl es Winter und kühl ist! Ich fröstle ein wenig. Die Toilette lässt mich grinsen, sie ist westlich. Natürlich gibt es Seife. Handys sind verboten und in der Rezeption hängt ein Frosch, der zum Grinsen auffordert. Es ist nicht zu verpassen. Hier atmet man deutsche Luft ein. Die Wächter scheinen das einzige senegalesische Element in dieser Botschaft zu sein.
Endlich erreicht mich Lisa und ich erkläre ihr innerhalb von zehn Sekunden die Lage. Dann bricht die Verbindung ab.
Die Konsulin, eine Frau mittleren Alters die mich mit "Herr Pfeiffer" anspricht und Schwierigkeiten hat zu lächeln, dennoch auf ihre Art freundlich und hilfsbereit ist, gibt mir drei Formulare, eine Reisepassverlustmeldung, einen Antrag auf neuen Reisepass und eine Erklärung zur Staatsbürgerschaft. Der neue Pass - ein Jahr gültig - kostet knapp 50000 Fcfa, knapp 78 Euro. Es wird jedoch einige Tage dauern. Unsere Reisepläne sind somit hinfällig. Ich informiere Lisa in einem weiteren zehn-Sekunden-Gespräch, dann bricht die Verbindung ab.
Was fehlt ist ein Passbild. Auf den vielen Wegen, die ich jetzt zurücklegen muss, ernte ich viele freundliche Blicke von Händlern. Offenbar sympatisieren sie mit mir, weil ich die ganze Zeit über meinen vollen Reiserucksack mit mir herumschleppe.
Für die neuen fälschungssicheren Pässe, die den US-Anforderung entsprechen und mit biometrischen Daten versehen werde, müssen die Bilder akribischen Anforderungen entsprechen. Ein Blatt mit ungefähr 50 Beispielen, wovon 40 zeigen, wie es nicht sein darf, liegt aus. Grauer Hintergrund, Helle je nach Haarfarbe und Hauttyp, neutraler Gesichtsausdruck, keine Sonnenbrille, kein geneigter Kopf, Kopf muss 70-80 Prozent des Bildes einnehmen, kein Grünstich, keine Gesichtsverhüllung, kein blasses Gesicht... Wie soll ich das dem senegalesischen Photostudie erklären? Doch es klappt gut. Der ironische Gesichtsausdruck, den ich mir nicht verkneifen konnte, geht durch. Es ist halb Elf Uhr und ich atme einmal durch. Nächsten Montag ist das Teil fertig.
PS: Die Suche geht weiter. Der Tostan-Fahrer, Bacc, hat bei den grossen Radiostationen nachgefragt, weil es üblich ist, dort Fundsachen abzuliefern. Es vermeidet Probleme bei der Polizei. Beim Gare Routier ist bisher nichts gesichtet worden. Wahrscheinlich vermutete jemand Geld darin. Der Gare Routier in Dakar wimmelt vor Dieben und Trickbetrügern. Doch von professionellen Fälschern hat man noch nichts gehört. Jemand könnte ihn also wegwerfen. Der neue Pass ist jedenfalls auf dem Weg. Wir fahren also in der nächsten Woche ohne Jonas, der am Wochenende zurückfliegt, nach Ziguinchor. Tabaski verbringen wir in Thiès bei Papes Familie, die uns letzte Woche dazu einlud. In diesen Tagen erfahre ich sowas ein Feriengefühl mit langen Abenden und Ausflügen. C'est bon!
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