Mittwoch, Januar 18, 2006

Zurück in der Casamance

Heute Morgen auf der Fähre, mit der wir über Nacht von Dakar nach Ziguinchor gefahren sind. Als wir die ersten Schritte durch Ziguinchor machen stellen wir beide fest, dass es sich anfühlt, als ob wir nie weg gewesen wären. Komisch. Es ist soooo anders als Dakar.

A bientôt, Dakar! Gestern Abend bei unser Abfahrt aus dem Hafen von Dakar. Die Fahrt dauert 16 Stunden, doch den Grossteil kann man verschlafen. Angenehmes Reisen.
Die Betten... der Saal ist ganz offen und geht von Restaurant, Schlafsessel fliessend in Schlafsaal über. Hinter war direkt der Maschinenraum, so klapperte und wackelte es die ganze Nacht durch. Angenehm und erholsam war's trotzdem.

Das Restaurant; und nein, wir haben nicht 200 Euro für die Fahrt bezahlt. Das Schiff ist ziemlich luxoriös eingerichtet, aber als "Resident", als wir angesehen werden, kostet die Fahrt wenig mehr als mit dem Sept-places durch den Gambia durch. Die Fähre war gut gefüllt, viele Europäer, aber auch einige Senegalesen. Viele Senegalesen, insbesondere die Diola, fürchten die Überfahrt sicherlich noch wegen der Tragödie, die sich 2002 ereignete.

PS: Ah ja, die Abfahrt. Gestern Morgen um 10 Uhr war sie immer noch nicht sicher. Ich wartete auf Wort von der Botschaft. Um 11 Uhr ruft die Konsulin an. Sie sagt, ihr Drucker funktioniere nicht, sie könnten auf unabsehbare Zeit keine Reisepässe ausstellen. Stattdessen könnte ich eine Ausreisegenehmigung haben. Ob die Behörden das akzeptieren würden wussten weder sie noch wir. Wir fahren also zur Botschaft, bekommen den Wisch. Bei der Fähre gibt es ebenfalls keine Probleme, wir können also tatsächlich abfahren! Kleiner Haken: Das Teil, die Ausreisegenehmigung, ist nur knapp drei Wochen gültig. Bei unserer Rückfahrt nach Dakar gegen 21.Februar werde ich ohne gültige Papiere darstehen. In Deutschland würde ich als Afrikaner damit eingebuchtet werden. Die Konsulin spekulierte jedoch, ganz inoffiziell natürlich, dass ich keine Probleme bekommen sollte. Positive Seite: Auf den vorläufigen Reisepass kann ich so verzichten und mir in Deutschland direkt einen Ersatzausweis holen. Für die Ausreise stellt mir die Botschaft einfach (normal geht das nicht, aber in diesem Fall schon) nochmal eine Ausreisegenehmigung aus.
Wir sind also tatsächlich wieder angekommen...

Dienstag, Januar 17, 2006

Aufbruchsgedanken

Der neue Reisepassdrucker in der deutschen Botschaft in Dakar ist nicht funktionable, deshalb kann sie mir keinen neuen Reisepass ausstellen. Das einzige, was ich bekommen kann, ist eine Erlaubnis für die Rückkehr nach Deutschland. Ob ich damit auch bei den senegalesischen Behörden durchkommen werde, weiss weder ich noch die Botschaft.

Doch heute fährt eine Fähre nach Ziguinchor, direkt in die Casamance, die wir gerne nehmen würden um unsere Arbeit wieder aufzunehmen. Ob ich nun damit fahren darf oder nicht, werden wir später herausfinden. Wir sitzen auf gepackten Sachen (und wie auf heissen Kohlen) und werden unser Glück versuchen. Entweder wir sitzen schon heute um 16 Uhr in dieser Fähre, oder wir müssen die Fahrt um den Gambia herum aufnehmen, eine ermüdende Reise im Sept-places. In mir scheint alles zu rumoren.

Der letzte Monat in Dakar ist noch zu einer guten Zeit geworden. Sie lebte vor allem von der Begegnung mit vielen interessanten Menschen. Drei neue Voluntäre sind eingetroffen, drei AmerikanerInnen. Einer von ihnen hat seine Kindheit in Mosambik und Südafrika verbracht und kennt Nairobi gut. Diese Brücke von West- nach Ostafrika zu bauen ist hoch interessant. Denn es ist vor allem dieser Teil von Afrika, der durch Hungersnöte, Bürgerkriege, Rebellen, Kindersoldaten und Völkermorde in den Medien ist. Seine Eindrücke aus Nairobi sind dagegen viel gemässigter. Er konnte dort Leben und zur Schule gehen, er hat Freunde. Er liebt die Kultur und würde gerne zurückgehen. Es ist kein reiner Schauplatz des Schreckens.

Vor einigen Tagen traf eine Frau, sie heisst Kenny Mann, ein, die über Tostan einen Dokumentarfilm drehen will. Sie wuchs in Kenia auf, arbeitete dann einige Jahre in Deutschland und lebt inzwischen in New York. Sie arbeitete als Journalistin, Buchautorin, Uni-Professorin, Produzentin und Verkäuferin. Sie ist fast 60 Jahre alt, doch strotzt sie vor Energie. Sie packt dieses Projekt einer Doku fest an, ohne zu wissen, ob sie tatsächlich eine Finanzierung finden wird. Vielleicht wird sie den ganzen Film, denn jetzt arbeitet sie an einer Art von Demoversion, selbst und ohne Team drehen müssen. Das störte sie jedoch auch nicht, obwohl sie keine professionelle Kamerafrau ist.

Tabaski verbrachten wir bei Papes Familie in Thiès. Pape hatte uns auf unserer ersten Reise im September ins Landesinnnere, nach Kolda, begleitet. Ihn in seinem eigenen Milieu zu treffen war toll. Ein Schaf wurde vor unseren Augen zerlegt, ein nicht ganz leichter Anblick, doch wo kommt unser Hochglanzfleisch im Supermarkt wohl sonst her? (Und in Europa gibt es dafür Fabriken und Kettensägen und Massentierhaltung und Hormon/Antibiotika unterstützte Fütterung.) Pape nahm uns mit zu Freunden und Verwandten, denn der Festtag lebt von diesen Besuchen. Gegen Abend ziehen sich dafür alle ihre grossen Umhänge, die Boubous an, die sie oft extra für Tabaski besorgt haben, und ziehen durch die Nachbarschaft. Wir besuchten unter anderem eine Frau, die bei Tostan für das Gefängnisprogramm zuständig ist. Sie war wütend, weil eine der Freiwilligen Tabaski nicht bei ihr verbracht hatte. Trotzdem tischte sie uns eine stattliche Platte mit Schaf und Pommes Frites auf.

Sie erzählte uns, dass die Frauen im Gefängnis zu 30 in einem kleinen Raum von ca. 16 m² ausharren müssen, um ihre meist fünfjährigen Strafen abzusitzen. Vier von diesen Frauen hätten inzwischen ein Kind. Wieso wurden diese Frauen eingesperrt? Meistens, weil sie ihr Kind nicht haben wollten und es töteten. Ein aussereheliches Kind zu haben, wird im Senegal sozial nicht akzeptiert. Also fühlen sich manche Frauen zu diesem Schritt getrieben. Doch werden sie dabei erwischt, erwartet sie die vollständige soziale Isolation. Sie werden für 5-10 Jahre eingesperrt und viele bekommen kaum einen Besuch der Familie. Tostan versucht mit seinem Programm den Frauen den Neueinstieg in die Freiheit zu erleichern, denn ohne Fertigkeiten erwartet sie nach ihrer Entlassung nichts. Was sollen sie dann tun, ohne Familie, ohne Arbeit?

Wir waren Touristen und besuchten Gorée Island, ein ehemaliger Sklavenumschlagplatz, von den Portugiesen eingerichtet und den Franzosen weitergeführt. Die Insel läd zum Shoppen, aber auch zur Auseinandersetzung mit der Geschichte ein. Und wir besuchten den Leuchtturm von Dakar, der eine wunderbare Sicht über die ganze Stadt erlaubt. Wir zogen durch die Strassen und Märkte von Dakar und merkten, tatsächlich, in dieser Stadt kann man gemütlich essen ohne in ein Luxusrestaurant zu gehen, kann man sich auf ein Bier treffen, kann man sich an den vielen bunten Farben berauschen, wenn man den Lärm und den Verkehr und die vielen Händler nicht zu nahe treten lässt. Die Regeln sind hier andere als in Berlin oder Paris, doch die Stadt hat ihren eigenen Charme.

Mit diesen Eindrücken brechen wir hoffentlich wieder in das so andere Landesinnere auf und atmen die Landluft nochmal tief ein. Uns bleiben nur noch wenige Wochen, dann endet unser Aufenthalt. Im Moment weiss ich nicht genau, wo meine Gedanken eigentlich sind.

Dienstag, Januar 10, 2006

Zu Besuch auf deutschem Boden

Es ist Montag, halb Sechs Uhr morgens, unser Gepäck ist bereits auf dem Dach des Buses verstaut, der Lisa, Jonas (der uns für zweieinhalb Wochen besucht) und mich nach Ziguinchor bringen soll. Wir brechen mit einem Tag Verspätung auf, weil Jonas sich beim Pizzaessen eine Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Jetzt ist alles arrangiert als mir auffällt - mein Reisepass ist verschwunden. Er steckte in meiner Brusttasche. Ohne Reisepass keine Reise durch den Gambia. Ich suche sofort die Umgebung ab, doch ohne Erfolg. Wir schieben die Reise auf, doch noch besteht Hoffnung.

Am Eingang des Gare Routier spricht uns eine freundlicher junger Mann an und bietet sich an zu helfen. Er sucht selbst nach dem Pass, ohne Erfolg. Er erklärt, dass die Polizei ab 7 Uhr offen sei und er uns dort hinbringen werde. Wir warten eine Stunde bei Kaffee und Baguette und spielen Personenraten. Um 7 Uhr sehe ich einen Polizisten, dem ich mein Problem erkläre. Er führt mich sofort zum nächsten Taxi und begleitet mich zur Polizeistelle in Dakar-Innenstadt. Das Taxi bezahlt er für mich.


Um eine Verlustmeldung aufzugebe, brauche ich eine 100Fcfa-Briefmarke, sagen mir die Polizisten dort, die Post öffne in einer halben Stunde, um 8 Uhr. Ich warte und lasse mir die Schuhe putzen. Die Postmitarbeiter sind sehr gemütlich, so dass ich erneut warte. Ein Mitarbeiter des Sozialministeriums spricht mich an und sagt, wie wichtig es sei zu reisen, alle grossen Persönlichkeiten seien gereist. Er scheint sehr erfreut zu sein mit mir zu sprechen und wünscht mir alles Gute.

In der Polizeistelle finde ich ein leeres Zimmer vor. Was wird aus meiner Verlustmeldung? Warten. Zum Glück gibt es eine Toilette... Seife liegt keine aus, ich finde sie im Eimer der Putzfrau. Der Beamte nimmt meine Meldung auf und sagt, ich solle in zwei Stunden wiederkommen. Damit wäre jedoch unsere Reise hinfällig! Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Vielleicht brauche ich nur einen Wisch und alles wird gut. Ich überlege also nicht lange und frage ihn, so höflich wie mein Französisch es hergibt, ob es nicht vielleicht auch ein bisschen schneller ginge. Er sagt "attends!", schleicht kurz darauf aus dem Zimmer und kommt mit einer Unterschrift wieder. Jetzt hat er offenbar erkannt, dass ich von Tostan komme und gibt mir die Verlustmeldung euphorisch zurück. Die Briefmarke ist noch drauf. Ich nehme den Zettel mit.

Lisa und Jonas warten am Gare Routier und ich kann sie nicht erreichen. Typisch für Lisas altes Handy. Zum Glück hat sie jetzt ein neues.

Die Verlustmeldung reicht jedoch nicht für eine Grenzüberschreitung. Ich nehme ein Taxi zur deutschen Botschaft. Sie liegt unweit der Assemblé Nationale, die der Taxifahrer kennt. Die Türhüter bei der Polizei sind extrem freundlich und weisen mir den Weg.


Die Botschaft ist ein unauffälliges Gebäude, die Wächter scheinen sich ziemlich über meinen Gruss in Wolof zu freuen. Denn kurz darauf sitze ich im Wartezimmer. Im ganzen Eingangsbereich hängen Bilder deutscher Städte (Adenauer und Köln) und Künstler. Keine afrikanische Kunst. Die Luft ist klimatisiert, obwohl es Winter und kühl ist! Ich fröstle ein wenig. Die Toilette lässt mich grinsen, sie ist westlich. Natürlich gibt es Seife. Handys sind verboten und in der Rezeption hängt ein Frosch, der zum Grinsen auffordert. Es ist nicht zu verpassen. Hier atmet man deutsche Luft ein. Die Wächter scheinen das einzige senegalesische Element in dieser Botschaft zu sein.

Endlich erreicht mich Lisa und ich erkläre ihr innerhalb von zehn Sekunden die Lage. Dann bricht die Verbindung ab.

Die Konsulin, eine Frau mittleren Alters die mich mit "Herr Pfeiffer" anspricht und Schwierigkeiten hat zu lächeln, dennoch auf ihre Art freundlich und hilfsbereit ist, gibt mir drei Formulare, eine Reisepassverlustmeldung, einen Antrag auf neuen Reisepass und eine Erklärung zur Staatsbürgerschaft. Der neue Pass - ein Jahr gültig - kostet knapp 50000 Fcfa, knapp 78 Euro. Es wird jedoch einige Tage dauern. Unsere Reisepläne sind somit hinfällig. Ich informiere Lisa in einem weiteren zehn-Sekunden-Gespräch, dann bricht die Verbindung ab.

Was fehlt ist ein Passbild. Auf den vielen Wegen, die ich jetzt zurücklegen muss, ernte ich viele freundliche Blicke von Händlern. Offenbar sympatisieren sie mit mir, weil ich die ganze Zeit über meinen vollen Reiserucksack mit mir herumschleppe.

Für die neuen fälschungssicheren Pässe, die den US-Anforderung entsprechen und mit biometrischen Daten versehen werde, müssen die Bilder akribischen Anforderungen entsprechen. Ein Blatt mit ungefähr 50 Beispielen, wovon 40 zeigen, wie es nicht sein darf, liegt aus. Grauer Hintergrund, Helle je nach Haarfarbe und Hauttyp, neutraler Gesichtsausdruck, keine Sonnenbrille, kein geneigter Kopf, Kopf muss 70-80 Prozent des Bildes einnehmen, kein Grünstich, keine Gesichtsverhüllung, kein blasses Gesicht... Wie soll ich das dem senegalesischen Photostudie erklären? Doch es klappt gut. Der ironische Gesichtsausdruck, den ich mir nicht verkneifen konnte, geht durch. Es ist halb Elf Uhr und ich atme einmal durch. Nächsten Montag ist das Teil fertig.

PS: Die Suche geht weiter. Der Tostan-Fahrer, Bacc, hat bei den grossen Radiostationen nachgefragt, weil es üblich ist, dort Fundsachen abzuliefern. Es vermeidet Probleme bei der Polizei. Beim Gare Routier ist bisher nichts gesichtet worden. Wahrscheinlich vermutete jemand Geld darin. Der Gare Routier in Dakar wimmelt vor Dieben und Trickbetrügern. Doch von professionellen Fälschern hat man noch nichts gehört. Jemand könnte ihn also wegwerfen. Der neue Pass ist jedenfalls auf dem Weg. Wir fahren also in der nächsten Woche ohne Jonas, der am Wochenende zurückfliegt, nach Ziguinchor. Tabaski verbringen wir in Thiès bei Papes Familie, die uns letzte Woche dazu einlud. In diesen Tagen erfahre ich sowas ein Feriengefühl mit langen Abenden und Ausflügen. C'est bon!

Freitag, Januar 06, 2006

Neujahrstreiben

Lisas Computer war kurzfristig ausser Gefecht gesetzt. So verschlug es uns nach vier Monaten wieder in die nahe gelegene Stadt Thiès, wo Tostan sein Hauptquartier hat. Dort suchen wir den Computerfreak von Tostan auf, der noch ein Cybercafé betreibt, und während eine neue französische (!) Windowsversion auf Lisas Computer fliesst geniesse ich die freue Zeit zum Schreiben. Ich habe gerade ein wohliges Gefühl im Magen, weil der Betreiber des französisch-Senegalesischen Restaurants, dass man uns empfahl, nicht nur ein dezentes Fischgericht servierte, sondern uns auch noch zu einem selbstgemixten Rumcocktail (Ingwergeschmack) einlud, der meinen Rachen aufblühen liess. Wir hatten ihn auf seine Wandkunst angesprochen, die von Rousseaus Dschungel inspiriert war, und schon war der Bann gebrochen. Ein grauhaariger Liebhaber aus der Provence.

In der nächsten Woche ist das grosse muslimische Fest, das Tabaski. Es ist eine grosse Ferienwoche wie bei uns Weihnachten. Die Menschen gehen alle zu ihren Familien, ein Schaf wird geschlachtet (und scharenweise stehen sie überall an den Strassen), ein neues Gewandt, der Boubou, wird gekauft. Die Vorbereitungen beginnen mehr als einen Monat im Voraus.

Die Tage nach unserer Ankunft in Dakar waren gemischt. Ich habe mich nach dem ersten Schock schnell eingewöhnt. Weihnachten war recht schön, wenn auch irgendwie fehlplaziert. Da wir aber mit den Senegalesen bei Tostan zusammen waren, war es in Ordnung. Wir haben zusammen gegessen, zusammen Weihnachts- und nicht-Weihnachtslieder in allen vertretenen Sprachen gesungen (Lisa rettete uns mit einem Kinderlied) und wir haben zusammen senegalesisch getanzt. Der Tanz der Wolof ist ganz anders als der Tanz der Diola, den wir kennen gelernt haben. Den Wein haben wir dann aber doch ohne die Senegalesen getrunken...

Vor Neujahr wurde ich erneut krank. Es ist nicht das erste Mal, gerade im Dezember lag ich schon zweimal flach mit Fieber. Diesmal hatte ich jedoch über drei Tage Symptome, die auf eine bestimmte Krankheit schliessen lassen: unregelmässiges Fieber, Kopfschmerzen, eine Magenverstimmung und Durchfall, Schwindelgefühl. Am vierten Tag besucht mich der lokale Arzt und vermutet Malaria. Die Bahandlung schläg sofort an. Am dritten Tag, dem Ende der Behandlung, bin ich wieder fit. Der Arzt, ein Diola mit einer angenehm ruhigen Art, erklärt mir, dass die Parasiten sich durch die Moskitos immer in unserem Körper befinden und Schwächephasen ausnutzen. Sobald keine neuen Parasiten mehr dazukommen, zerstört die körpereigene Abwehr diese Parasiten jedoch innerhalb 4-6 Monaten. Das heisst, nach unserer Abreise bin ich bald parasitenfrei und muss auch keine neuen Ausbrüche mehr befürchten.
Die Prophylaxetabletten hatte ich gegen Ende November angesetzt, weil mit Ende der Regenzeit die Moskitos zurückgehen. Das Infektionsrisiko sinkt. Ausschliessen kann man es trotzdem nie...

Bei Tostan haben wir uns artig an die Bürozeiten gehalten, um die Regeln, die für alle gelten, zu respektieren. Wir haben den Jahresbericht eines Projekts, das von einer amerikanischen Stiftung finanziert wird, fertiggestellt. Es ging darum zu dokumentieren, was in diesem Jahr in den Projektdörfern geschehen ist und welche Ergebnisse beobachtet wurden. Die Arbeit war etwas trocken, aber doch interessant. Ohne Besuch ist die Verbindung zu den Informationen eher gering. Gleichzeitig schrieben wir ein weiteres Dorfportrait für das gleiche Projekt.

Drei unserer Artikel sind inzwischen auf der Tostan-Website zu finden. Wir sind stolz darauf.
www.tostan.org unter Articles ganz oben (Oulampane, Trainingsseminar, Deklaration Sedo Abass). Leider bisher nur auf Englisch.

Unser nächster und letzter (schluck!!) Auftrag ist eine Studie. Wir sollen untersuchen, wie die Dörfer in einer bestimmten Region miteinander verlinkt sind. Es geht vor allem darum, wer sich mit wem verheiratet. Denn Familienbände sind ganz zentral. Wir werden also Dörfer besuchen und dort erfragen, aus welchen Dörfern die Frauen stammen (es ist immer die Frau, die umzieht, nie der Mann), und in welche Dörfer die dorfeigenen Frauen heiraten. Meistens lässt sich eine feste Gruppe identifizieren. Diese sollen wir herausfinden. Für Tostan ist dies wichtiges Wissen, denn der Grund, dass Mädchen beschnitten werden, so argumentiert Tostan, ist ihre Verheiratbarkeit. Wenn diese gesamte Gruppe, die untereinander heirat (intra-marrying group), sich entscheidet, die Beschneidung nicht mehr als Bedingung für eine Heirat zu stellen, verschwindet ihr Existenzgrund. Da wir in eine Region gehen, wo Tostan derzeit aktiv ist, ist es für Tostan wichtig zu wissen, ob das Programm tatsächlich die gesamte Gruppe erreicht. Ansonsten wird das Programm nicht zum Erfolg führen.

Ich bin sehr gespannt. Uns bleiben ungefähr fünf Wochen für diesen Auftrag, in denen wir 30 Dörfer dieses Projekts besuchen müssten. Wir werden circa drei Wochen nur im "Busch" unterwegs sein, stelle ich mir vor. Mit unserem Material können wir dann eine Karte erstellen, die die Beziehungen der Dörfer untereinander verbildlicht. Wir brechen schon in den nächsten Tagen auf. Es wird wieder ein wenig Hals über Kopf werden, glaube ich. Unser Ziel: Bignona! Wir kehren tatsächlich dorthin zurück, wo wir schon zweieinhalb Monate verbracht haben. Offenbar liegt dort unser Schicksal. Es ist jenes Projekt, für das wir gerade den Jahresbericht geschrieben haben.

Ja, Dakar hat tatsächlich seine schönen Seiten. Sein Markt ist der Hammer. Er zieht sich über mehrere Blöcke hinweg und sorgt für ein wimmelndes Strassentreiben. Die Händler sind verflucht gewitzt und erkennen jeden unsicheren Zug bei Passanten (das sind dann leichte Opfer) und kein Vergleich mit jenen im Rest des Landes. Hier reicht es nicht, einen angebotenen Preis durch 4 oder 5 zu teilen, um auf eine vernünftige Basis zu kommen. Ich stand vor zwei Händlern, die für eine Hose oder ein Bild mit 30000 (F cfa) ansetzten und ich nur mit 2000 antworten konnte. Um dann irgendwo zwischen 5000 und 10000 zu landen. Dazwischen liegt ein Redeschwall, Mitleidsbitten, Hinweise auf die Hohe Qualität und die Preise anderorts oder angebliche koperative Verbindungen zu körperlich beeinträchtigten Künsterlern usw. Verhandele ich mit einem Händler, sammeln sich gleich noch fünf um mich um erst anzubieten, dann beim Verhandeln zu unterstützen. Als gute Freunde sollte man nie auseinandergehen...

Ich stelle seit Dakar vermehrt fest, dass die Rückkehr nach Deutschland sich mir gedanklich nähert. Das Gefühl des Abschieds erscheint. Gerade haben wir unseren Flug umgebucht, um etwas mehr Zeit zum Eingewöhnen nach unserer Rückkehr zu haben. Ich hoffe, dass wir in der Casamance nochmal richtig in die senegalesische Welt abtauchen können und dann mit einem runden Gefühl zurück... ich mag es lieber nicht aussprechen. :)

PS: Ein frohes 2006 allen, denen ich es noch nicht wünschen konnte!